Rechtsanwalt Prof. Dr. Böh schildert Musterfälle der Erbschleicherei – „Heute mal verkehrt herum“

Meine tägliche Praxis im Kampf gegen Erbschleicherei offenbart eine Fülle an Konstellationen, in denen sich Kinder als Erbschleicher gegenüber ihren Eltern profilieren, beispielsweise zum Nachteil der Geschwister, anderer Verwandter (dem Patenkind u. a.) oder sogar dem verbleibenden Elternteil. Typische Sachverhalte sind:

  • der Missbrauch einer eingeräumten Vorsorgevollmacht,
  • das Erzielen tatsächlicher wirtschaftlicher Vorteile (kostenfreies Wohnen im Elternhaus),
  • die rechtswidrige Entnahme von Vermögensgegenständen (Gold, Kunst, Schmuck),
  • ein „Sich-Schenken-Lassen“ werthaltigen Vermögens (Geld, Gesellschaftsanteil, Immobilie),
  • der Erhalt einer nicht bestehenden Rechtsposition (fingierte Darlehensforderung zugunsten des Kindes),
  • Vorteile im Rahmen einer testamentarischen oder erbvertraglichen Regelung.

Ungewöhnlicher, aber in meiner Praxis immer wiederkehrend, sind dagegen Fälle, in denen ein Elternteil gegenüber dem Kind Erbschleicher-Maßnahmen vollzieht. Dies geschieht insbesondere in folgenden Konstellationen:

  • Das Kind ist minderjährig und der erbschleichende Elternteil übt das Sorgerecht aus.
  • Das (erwachsene) Kind ist behindert und dieser Elternteil ist zum Dauertestamentsvollstrecker bestellt.
  • Das (erwachsene) Kind wird nach einem gesundheitlichen Vorfall oder einem Unfall betreuungsbedürftig und der Elternteil ist zum gesetzlichen Betreuer bestellt oder über eine Vorsorgevollmacht berechtigt.

In allen Fällen hat der Elternteil Zugriffsmöglichkeiten auf das Vermögen des Kindes. Eine Erbschleicherei ist deshalb möglich. Besonders brisant ist aus meiner Erfahrung die Situation des minderjährigen Kindes, da es in den anderen Fällen eine stärkere gerichtlichen Kontrollmöglichkeit geben kann (im Rahmen der Dauertestamentsvollstreckung über § 2227 BGB, im Rahmen einer gesetzlichen Betreuung und Vorsorgevollmacht mittels der Anregung Außenstehender hin zu einem Betreuerwechsel, respektive der Einrichtung einer Gegen- bzw. Kontrollbetreuung). Deshalb beschränke ich mich auf die Situation des minderjährigen Kindes. –

Folgende Erbschleicherei prägende Entscheidungen drohen dem minderjährigen Kind von Seiten des Elternteils, vorausgesetzt, dieses Elternteil ist allein sorgeberechtigt:

  • Entscheidung über Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft,
  • Entscheidung über die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen,
  • Übernahme, Verwaltung und Verwertung von Vermögensgegenständen bzw. Vermögenswerten.

Ein Praxisfall zeigt die hinter diesen abstrakten Fragestellungen versteckten Probleme:

Die Eltern haben ein minderjähriges Kind und sind geschieden. Die Eltern sind im Streit auseinander gegangen. Das Kind lebt bei der Mutter. Der Kindesvater ist Eigentümer einer Immobilie, in der er lebt und ein sechsstelliges liquides Vermögen und übliches bewegliches Vermögen. Der Kindesvater stirbt und hinterlässt lediglich das minderjährige Kind als gesetzlichen Erben (da ansonsten keine Verwandtschaft im Rahmen der erbrechtlich relevanten Ordnungen existiert). Das minderjährige Kind wird Alleinerbe und damit erhält die Kindesmutter Zugriff auf das Vermögen des vormaligen Ehemannes. Wie nahe sinnvolle Entscheidungen und Erbschleicherei liegen können, belegt die Frage bzgl. der Übernahme des Familienheims mit Blick auf § 13 Abs.1 Nr.4c ErbStG. Zieht die Kindesmutter mit dem minderjährigen Kind (dem Alleinerben) in das Familienheim, dann bleibt dieser Vermögensanfall unter bestimmten Voraussetzungen erbschaftssteuerfrei (zumal der weitere sachliche Freibetrag in Höhe von € 400.000,00 für den weiteren Nachlass verwendet werden kann). Dann erhält aber die Kindesmutter einen Wohnvorteil, wenn sie dem minderjährigen Kind keine Nutzungsentschädigung bezahlt. Dies kann dann der Anfang für eine weitere Vermögensschädigung sein, beispielsweise mittels Nutzung und Verwertung von beweglichem Nachlass oder dem Verbrauch der liquiden Mittel.

Vor dieser Konstellation kann der Kindesvater sein Kind schützen, indem er im Rahmen einer Testamentsgestaltung den Zugriff der Kindesmutter auf den Nachlass verhindert. Probates Mittel ist eine Dauertestamentsvollstreckung durch einen (neutralen) Dritten, der das zu erbende Vermögen für das minderjährige Kind (mindestens) bis zur Volljährigkeit verwaltet und schützt. Diese in einem Testament einfach umzusetzende Regelung wird häufig übersehen, ist aber nicht nur als Schutz vor einer Erbschleicherei des Elternteils bedeutsam, sondern auch generell bei der Erbfolge eines Minderjährigen wichtig.

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Prof. Dr. Böh von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erstellt.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Böh ist Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht und ist außerdem als Rechtsgutachter für deutsche Nachlassgerichte tätig. Kontakt: boeh@rechtsanwalt-thieler.de

Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft vertritt Sie deutschlandweit und spezialisiert insbesondere in folgenden Rechtsgebieten: Betreuungsrecht, Erbrecht, Immobilien- und Mietrecht, Schenkungsrecht und Steuerrecht.

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