Die Überprüfung der Testierfähigkeit hat auf zwei verschiedenen Ebenen zu erfolgen.
1. Es ist zu prüfen, ob eine Störung im psychischen oder mentalen Bereich oder eine Drucksituation vorlag.
2. Es ist zu prüfen, ob diese Störung das psychische Funktionsdefizit als Folge hatte, wodurch der Erblasser keine eigenen nachvollziehbaren Entscheidungen mehr treffen konnte.
Zusammenfassend ist auszuführen, dass für die Beurteilung folgende Frage zu beantworten ist: „Hätte der Erblasser diese Entscheidung auch ohne die Krankheitssituation oder die Beeinflussung getroffen?“
Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass über zwei Stufen gegangen werden muss, bis man eine Testierfähigkeit feststellt: auf der ersten Stufe wird geprüft, ob eine krankheitsbedingte Störung beim Erblasser vorlag und auf der zweiten Stufe, ob ein Einfluss auf seine Willensentscheidung zur Testamentserrichtung stattgefunden hat (vgl. OLG München, 14.08.2007, Az. 31 Ws 16/07; NJW 2008, Seite 164).
Eine freie Willensbestimmung hinsichtlich einer letztwilligen Verfügung ist nur möglich, wenn der Testator die dafür in Betracht kommenden Gesichtspunkte sachlich prüfen und gegeneinander abwägen konnte, wobei ihm eine allgemein dem Verständnis entsprechende Würdigung der Dinge und Lebensverhältnisse möglich sein muss.
Eine krankheitsbedingte unfreiwillige Willensbildung kann sich darauf beschränken, die Motive der Errichtung einer letztwilligen Verfügung zu beeinflussen.
Der Testierende muss in der Lage sein, sich die für und gegen eine letztwillige Verfügung stehenden Gründe zu vergegenwärtigen und sich darüber im Klaren sein. Er muss ein eigenständiges Urteil bilden und frei von etwaigen Einflüssen Dritter handeln. Dies setzt voraus, dass es ihm möglich ist, sich an Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen. Die erforderliche Kritik- und Urteilsfähigkeit hängt vor allem aber auch von der Fähigkeit zur Verarbeitung aktueller Informationen ab und weniger von der Überprüfung alter Erinnerungen.
Entscheidend ist also das Gesamtbild der Person im fraglichen Zeitraum unter Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände. Aus diesem rechtlichen Vorgang folgt, dass insbesondere die Folgen psychopathologischer Symptome (Funktionsstörungen) die Freiheit der Willensbestimmung ausschließen können.