Ursachen für Erbschleicherei

I. Die Einsamkeit im Alter

Aus Sicht der Verfasser betreffen Fälle der Erberschleichung leider sehr häufig ältere Menschen. Wir sehen hierfür zwei wichtige Gründe, zum einen die Tatsache, dass gerade bei diesen Personen mit Blick auf einen wahrscheinlichen, zeitnahen Erbfall die Erberschleichung erst attraktiv wird. Andererseits sind ältere Menschen oft gerade diejenigen, die durch eine vermeintliche Vertrauensperson am leichtesten beeinflusst werden können.

Ältere Menschen sind durch Erberschleichung besonders gefährdet!

Zentralen Grund für die Zunahme der Erberschleichung in den letzten Jahren ist aus unserer Sicht, dass älteren Menschen immer häufiger ein Ansprechpartner fehlt. Das macht es den Erberschleichenden leicht, ihr Vorhaben durchzusetzen, da sie als Ansprechpartner keine Konkurrenz haben. Das zentrale Phänomen der Einsamkeit im Alter ist deshalb wichtiger Ausgangspunkt für eine Ursachenforschung im Bereich der Erberschleichung.

Die Brisanz des Themas wird bereits dadurch bestätigt, dass dem gesellschaftlichen Bild älterer Menschen häufig negative Züge anhaften.

Mit dem Alter werden gewöhnlich Eigenschaften wie Inflexibilität, Einsamkeit, Krankheit und Hilfebedürftigkeit verbunden. Dieses Bild, das sich häufig als Fehlvorstellung erweist, lässt sich aber nicht verallgemeinern, denn es unterstellt, dass im Laufe des Lebens und insbesondere im Alter ein ständiger Abbau der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit stattfindet.

Unbestritten bleibt allerdings die Tatsache, dass es dennoch eine Vielzahl von Betroffenen gibt, die gerade aufgrund ihrer Situation im Alter gesundheitlich oder sozial besonders beeinträchtigt sind. Diese Personengruppe stellt damit auch die, in der Regel, von Erberschleichung Betroffenen dar.

Einsamkeit umfasst als negatives Erlebnis von Vereinzelung, Isolation, als Einsamkeit in der Gemeinschaft nach Auffassung der Literatur folgende Merkmale: Unfreiwilligkeit, Hilflosigkeit, Erfahrung eigener Schwäche, Selbstunsicherheit, Selbstabwertung, emotionale Trennung von anderen und Sehnsucht nach sozialer Eingebundenheit und Wertigkeit.

Einsamkeit entsteht also durch die Koppelung des Alleinseins mit dem Gefühl des unzureichenden privaten Austauschs mit anderen oder einem empfundenen Mangel oder Verlust an sozialen Quellen emotionaler Bindung, Wärme und Trost. So kann ein Mensch sich einsam fühlen, obwohl er in ein soziales Netz eingebunden ist. Im Mittelpunkt steht also nicht die Verfügbarkeit und Häufigkeit von sozialen Kontakten zu Familienangehörigen oder Freunden, sondern der qualitative Aspekt im Sinne einer gelungenen Bedürfniserfüllung durch Beziehungen zu anderen.

Wenn sich Angehörige um Betroffene ein Leben lang kümmern, dann verringert sich das Risiko einer Erberschleichung!

Mit zunehmendem Alter gibt es wissenschaftlich belegbar ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit. Nicht maßgeblich ist dagegen das Geschlecht des Betroffenen und zumindest umstritten ist es, ob die Bildung und der soziale Status Einfluss auf das Risiko einer Einsamkeit im Alter haben können. Gesichert ist dagegen, dass der Familienstand ein wesentlicher Faktor ist. Verheiratete Menschen mit Kindern haben ein geringeres Risiko als verwitwete kinderlose Menschen. Ein wesentlicher Punkt ist darüber hinaus der schlechte Gesundheitszustand, der sich sehr stark hin zu einer Isolationssituation entwickeln kann. Zusammenfassend ergeben sich folgende Risikofaktoren:

(1.) schlechter Gesundheitszustand, insbesondere Einschränkung der Bewegungsfähigkeit,

(2.) fehlende bzw. unbefriedigende Sozialkontakte, insbesondere Mangel an Freunden,

(3.) Kinderlosigkeit bzw. schlechtes Verhältnis zu den Kindern,

(4.) Erkenntnis des erfolglosen Ausgangs von Beziehungen durch Tod, Verlust des Lebenspartners,

(5.) Mangel an sozialen Kompetenzen, vor allem Kommunikationsfähigkeit,

(6.) Orientierung der Wahrnehmung an negativen Erfahrungen, wobei Zurückweisungen von Dritter Seite als Schutz vor Kränkung gemeint sein können.

II. Gründe für die Zunahme der Erberschleichung in den letzten Jahren

Die obigen Ausführungen sollten zeigen, dass insbesondere ältere Menschen, mit Blick auf die dargestellten Risikofaktoren, nicht nur ein erhöhtes Risiko der Einsamkeit haben. Das Fehlen eines Ansprechpartners hat gleichzeitig die Konsequenz, dass eine Situation der Erberschleichung leichter entstehen kann, da diese in der Regel durch das Auftreten des Erberschleichenden als hilfsbereite Vertrauensperson bedingt ist. Nachfolgende Übersicht soll daneben eine Antwort auf die Frage finden, warum die Erberschleichung in den letzten Jahren stark zugenommen hat.

(1) Familienzerfall

Die im letzten Jahrzehnt erlebte Zerstörung der Familienstrukturen insbesondere in den Städten erleichtert einem Erberschleichenden den Zugang zu einem künftigen Opfer.

(2) Singles in Deutschland

Die Zunahme der Einpersonenhaushalte, also insbesondere die Zunahme der Singles mit fehlender Einbindung in die Familienstrukturen, erhöht die Gefahr der Erberschleichung noch weiter.

(3) Erhöhte Lebenserwartung

Die erhöhte Lebenserwartung bewirkt, dass immer mehr Menschen einsam und verlassen sterben, weil sich die Spanne bis zum Tod verlängert und häufig die Angehörigen und besten Freunde längst vorverstorben sind.

(4) Der Kreis der Pflegepersonen

Die Erhöhung der Lebenserwartung bedeutet natürlich auch, dass eine verstärkte häusliche Pflege bei Menschen stattfindet, die vererben und damit Opfer von Erberschleichenden werden können. Aufgrund des enormen Pflegebedarfs wird darüber hinaus die Pflege oftmals von Fremdpersonen, die von weit herkommen und die überhaupt keinen Kontakt, weder zur Familie noch zum Freundeskreis der gepflegten Person haben, durchgeführt.

Viele Fälle von Erberschleichung gibt es bei der Pflege von gesundheitlich angeschlagenen Menschen!

Die Einbindung in das Familiengeschehen und die Einbindung oftmals auch in die früher bestehenden dörflichen Strukturen fehlt damit. Auch eine Kontrolle durch die Außenwelt findet im Rahmen der Anonymität der Städte nicht mehr statt. Die Umgebung ist gegenüber dieser Situation ignorant. Es fehlen die entsprechenden Ansprechpartner.

In der Praxis haben wir immer wieder erlebt, dass Betroffene überhaupt keinen Ansprechpartner mehr haben, sei es, weil diese gestorben sind oder sie sich aufgrund ihres Gesundheitszustands immer mehr von der Umwelt abgekapselt haben. Die Betroffenen sitzen die letzten Jahre ihres Lebens nur noch vor dem Fernseher und leben nicht mehr in familiären Gemeinschaften. Die Isolierung nimmt immer stärker zu, je höher das Alter ist.

(5) Mangelnde Kontrolle

Eine Kontrolle der Personen, die mit dem Erblasser zu tun haben, ist kaum möglich. Die Anonymität im Wohnbereich, aber auch die selbst gewählte Isolierung, führen dazu, dass die Erberschleichung bis zum Tod der betroffenen Person überhaupt nicht auffällt.

Häufig sind in einigen Fällen die Verwandten und Angehörigen aber selbst an der Einsamkeit des Erblassers schuld, da das Interesse gegenüber dem Betroffenen abgenommen hat. Die eigenen Wünsche sind so stark, dass der Kontakt zu Verwandten auf jährliche Geburtstage beschränkt wird. Alles andere, auch die persönliche Pflege, wird als Belastung angesehen. Damit öffnet man der Erberschleichung Tür und Tor.

(6) Finanzielle Motive

Ein weiterer Grund für die Zunahme der Erberschleichung ist sicherlich auch die Tatsache, dass aktuell erhebliche Geldbeträge in Deutschland vererbt werden und deshalb eine Erberschleichung aus finanzieller Sicht einträglich erscheint. Nie gab es so viele Chancen, sich Vermögen im Wege der Erberschleichung anzueignen.

Das Ansteigen von Erberschleichung beruht auch darauf, dass derzeit in Deutschland sehr viel Vermögen vererbt wird!

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