Tatort Erbschleicher
Eine Rechtsdokumentation über Erbschleicherei in Deutschland
(Prof. Dr. Volker Thieler und Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Böh)
Gliederungsgsübersicht:
A. Einführung
B. Beispielsfälle für Erberschleichung
I. Der Begriff der Erberschleichung
II. Beispielsfälle für Erberschleichung in der Praxis
C. Ursachen für Erberschleichung in der heutigen Zeit
I. Die Einsamkeit im Alter
II. Gründe für die Zunahme der Erberschleichung in den letzten Jahren
III. Anzeichen für Erberschleichung
D. Strafrechtliche Mittel gegen Erberschleichung
I. Einleitender Überblick
II. Der Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB
III. Der Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB
IV. Die Straftatbestände der Urkundendelikte gemäß §§ 267 ff. StGB
V. Der Straftatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB
VI. Zusammenfassung
E. Zivilrechtliche Mittel gegen Erberschleichung
I. Einleitender Überblick
II. Der Nachweis einer Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 Nr.2 BGB
III. Der Nachweis einer Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB
IV. Die Testamentsanfechtung wegen Drohung gemäß § 2078 Abs.2 Alt.2 BGB
V. Die Testamentsanfechtung wegen Täuschung gemäß § 2078 Abs.2 Alt.2, 123 Abs.1 BGB
VI. Die Testamentsanfechtung wegen Motivirrtum gemäß § 2078 Abs.2 Alt.1 BGB
VII. Der Nachweis einer Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB
VIII. Der Schadenersatzanspruch gemäß § 826 BGB
IX. Vorsorgevollmacht und Betreuung als faktische Hindernisse
F. Wirtschaftliche und rechtliche Möglichkeiten für Erberschleichende
I. Einleitender Überblick
II. Bemühungen des Erberschleichenden mit Wirkung zu Lebzeiten des Erblassers
III. Bemühungen des Erberschleichenden mit Wirkung nach dem Tod des Erblassers
1. Die Begünstigung in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen
2. Die Einsetzung als Erbe bzw. Miterbe
3. Die Verringerung oder der Entzug des Pflichtteilsanspruchs
G. Präventive Maßnahmen gegen Erberschleichung
H. Zusammenfassendes Endergebnis
Anhang: Wichtige gesetzliche Rechtsgrundlagen
A. Einführung
Erberschleichung soll nachfolgend den tatsächlichen Vorgang beschreiben, der gesellschaftlich das sog. Erbschleichen bezeichnet. Aus unserer beruflichen Praxis heraus haben wir als Verfasser dieses Buches, das als Hilfestellung für alle Betroffenen dienen soll, folgendes festgestellt:
Erberschleichung ist inzwischen zu einem weit verbreiteten Phänomen in Deutschland geworden ist!
Findet man immer wieder hierüber Berichte in den Medien, so fehlt es doch aus juristischer Sicht an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des gesamten Komplexes. Ebenso sind Entscheidungen der Gerichte sehr spärlich gesät, da die Erberschleichung häufig einen nahezu rechtsfreien Raum, eine Grauzone betrifft.
Umso wichtiger ist es, dass Sie als Leser bei der Fortentwicklung dieses Buches mithelfen, indem Sie uns Ihnen bekannte Fälle schildern. Diese können wir einbauen und bewerten, sodass die verschiedenen Nuancen der Erberschleichung zukünftig noch besser erfasst werden können. Denn gegenwärtig befinden wir uns erst am Anfang einer gesellschaftlichen und juristischen Diskussion über dieses sich immer weiter verstärkende Phänomen.
So stellt sich schon anfangs die schwierige Frage, was überhaupt als Erberschleichung bezeichnet werden darf. In der Literatur wird darunter häufig nur das Bemühen um ein Erbe mit widerrechtlichen oder gegen die guten Sitten verstoßenden Mitteln verstanden. Das heißt als Schlussfolgerung hieraus, dass eine solche Erberschleichung mit zivilrechtlichen Mitteln (die Verträge sind beispielsweise gemäß §§ 134, 138 BGB unwirksam oder strafrechtlicher Handhabe (gegen den Erberschleichenden kann Strafanzeige erstattet werden) bekämpft werden kann. Nach Ansicht der Verfasser greift diese Definition der Erberschleichung allerdings zu kurz, da es neben diesen vermeintlich rechtlich klaren Fällen eine Vielzahl von Situationen gibt, die sich in einer Grauzone abspielen, die rechtlich kein eindeutiges Ergebnis zulässt.
Wahrscheinlich kennen auch Sie einen Fall der Erberschleichung in Ihrem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis!
In der Regel sind in einem solchen Kontext immer mindestens drei Seiten zu berücksichtigen, deren Interessen häufig gegenläufig sind und die deshalb den Sachverhalt auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Für ein Gericht ist es deshalb äußerst schwierig, den wahren Sachverhalt zu ermitteln, zumal der Erblasser häufig verstorben ist, sodass er nicht mehr direkt zu den Vorgängen befragt werden kann.
Zum einen steht der Erblasser (im weiterem wird aus Gründen der Übersichtlichkeit bei allen genannten Personen die maskuline Form verwendet) im Vordergrund, dessen Testiermöglichkeiten über Art.14 GG grundgesetzlich geschützt sind. Er darf, soweit mit Blick auf die Testierfähigkeit und die erbrechtliche Gesetzeslage möglich, bis zur letzten Minute sein Vermögen an denjenigen weitergeben, den er als Erben einsetzen möchte. Die Testierfähigkeit ist insoweit mit dem grundgesetzlich geschützten Eigentumsrecht verbunden und genießt im Erbrecht einen sehr hohen Stellenwert.
Das folgt schon aus der gesellschaftlichen Bedeutung des Erbrechts und der Testierfreiheit des Erblassers. Schon der griechische Philosoph Platon hat die Bedeutung des Erbrechts und der Testierfreiheit letztlich dadurch bestätigt, indem er den Wunsch des Menschen nach Unsterblichkeit erkannt hat. Für Platon erlangt ein Mensch dann ein Stück Unsterblichkeit, wenn er einen Nachkommen in die Welt setzt. Auch die Vermögensübertragung an zurückbleibende Personen ist Ausdruck dieser Vorstellung. Doch tatsächlich ist es so, dass nur ein geringer Prozentsatz der potentiellen Erblasser tatsächlich (wirksam) testiert. Viele Fälle werden über die gesetzliche Erbfolge geregelt.
Das deutsche Erbrecht gibt Ihnen als gesetzlichem Erben aber keinen Rechtsanspruch auf das Erbe!
Insbesondere diese gesetzlichen Erben haben deshalb kein Anrecht, also keine Anwartschaft auf den Nachlass. Ihr Erbrecht darf man prosaisch als sog. nackte Hoffnung bezeichnen. Insoweit sind die nächsten Angehörigen durch das deutsche Pflichtteilsrecht der §§ 2303 ff. BGB, das einen Ausgleich zwischen dem grundgesetzlich geschützten Erblasserwissen und dem familiären Näheverhältnis sucht, nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers ausreichend geschützt.
Die Rechtsprechung versucht dieses Pflichtteilsrecht auch soweit wie möglich zu schützen, da es sich um einen sog. Mindestschutz handelt. Das Pflichtteilsrecht wird häufig auch als heilige Kuh des deutschen Erbrechts bezeichnet. Dabei darf nicht vergessen werden, dass viele Kritiker des Pflichtteilsrechts eine stärkere Berücksichtigung des Erblasserwillens fordern, was im Falle der Erberschleichung zum Nachteil der gesetzlichen Erben und zu einer noch stärkeren Benachteiligung führen würde. Denn häufig versucht gerade der Erberschleichende die gesetzlichen Erben mit Hilfe eines Testaments zu übergehen. Diese werden im Mindestmaß durch das Pflichtteilsrecht geschützt. Fällt dieses weg, so erlangt der Erberschleichende einen noch größeren Teil am Nachlass.
Neben dem Erblasser und den gesetzlichen Erben bzw. Angehörigen tritt dann jeweils eine dritte Person auf den Plan, die häufig ein besonderes Näheverhältnis zu dem Erblasser hat oder dieses entwickelt. Erberschleichung zeichnet sich häufig dadurch aus, dass dieses Näheverhältnis erst zu einem späten Zeitpunkt entsteht, zu dem der Erblasser gesundheitlich angeschlagen und damit leicht beeinflussbar erscheint. Das ist aber nicht immer so.
Ein Erberschleichender kann Ihnen aber in letzter Minute noch das vermeintliche Erbe wegnehmen!
Als Drittpersonen kommen nicht nur einzelne Angehörige, Partner, Freunde und Bekannte in Betracht, sondern auch solche Personen, die geschäftsmäßig mit dem Erblasser in Kontakt treten. Häufig haben sie entweder in die finanzielle Situation des Betroffenen Einblick (als Bankmitarbeiter, Steuerberater oder Rechtsanwälte) oder sie weisen einen anderen persönlichen Bezug auf (beispielsweise als Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen, Seelsorger, Ärzte, Gärtner oder Betreuer). Die Verfasser möchten an dieser Stelle klarstellen, dass keine der angesprochenen Gruppen typischerweise als Erberschleichende in Erscheinung tritt. Einzelfälle in der Praxis bestätigen aber, dass Berufsträger in diesem Bereich Erberschleichung betrieben haben und betreiben.
Dass sich diese Erberschleichung immer in einem Widerstreit der dargestellten drei Sichtweisen bewegt und deshalb oft schwer einzuordnen ist, belegt nachfolgendes rechtsgeschichtliche Beispiel, das zugleich zeigt, dass Erberschleichung kein neuzeitliches Phänomen ist. Vielmehr gibt es diese Situation überall dort, wo Erbrecht gesetzlich geregelt ist und dem Betroffenen eine Testiermöglichkeit einräumt. Dann wird es auch immer Menschen geben, die versuchen, sich hieraus Vorteile zu verschaffen.
Entscheidend ist, dass der echte Wille des Erblassers an höchster Stelle stehen soll!
Ob das in zulässiger Art und Weise geschieht, lässt sich vor allem aus zwei Blickwinkeln beurteilen: einmal mit rechtlichem Augenmerk auf zivilrechtliche und strafrechtliche Regelungen und einmal mit Blick auf den Erblasserwillen, der aus Sicht der Verfasser für die Beurteilung der Erberschleichung maßgeblicher Ausgangspunkt sein muss. Die Begünstigung eines Dritten kann Erberschleichung sein, muss es aber nicht. Es kommt immer darauf an, was dahinter steckt und ob die Begünstigung dem tatsächlichen Willen des Betroffenen entspricht. Das zeigt folgende Konstellation.
Im Mittelalter kam es häufig vor bzw. war es üblich, dass ein Erblasser seine Güter ganz oder zum Teil der Kirche oder einem Kloster überließ. Praxisrelevant war vor allem die Übereignung von Grundvermögen. Die Übertragung des Vermögens aus Gründen des Seelenheils setzte sich entgegen des Widerstands der Angehörigen bzw. gesetzlichen Erben oftmals durch. Als eigentlicher Empfänger galt damals der himmlische Schutzpatron der Kirche selbst. Indem eine Erdscholle oder die Schenkungsurkunde auf den Altar, der die Reliquien des jeweiligen Heiligen barg, gelegt wurde, konnte insbesondere das zu übertragende Grundstück (das war der Vermögensgegenstand um den es im Regelfall ging) sozusagen körperlich übergeben werden.
Urkundlich erwähnt ist dabei der Fall des einfallsreichen, mittelalterlichen Freisinger Bischofs Hitto, der solche Situationen dadurch begünstigte, dass er die Reliquien des Heiligen in einen kleinen transportablen Schrein legte und diesen stets mit sich führte. Damit konnte die Übergabe geschenkter Grundstücke gleich an Ort und Stelle, so beispielsweise auf dem Sterbebett, erfolgen.
Erberschleichung erfolgte und erfolgt häufig durch Personen, von denen man es eigentlich nicht erwartet!
Die Angehörigen und gesetzlichen Erben werden gegen ein solches Vorgehen häufig eingewandt haben, dass der Erblasser im Angesicht des Todes und mit Blick auf sein Seelenheil durch die Kirche zu einer Grundstücksübertragung geradezu bedrängt wurde. Der einbezogene Seelsorger konnte sich dagegen darauf zurückziehen, dass die Vermögensübertragung dem freien Willen des Betroffenen entsprach und er das auch artikuliert hätte. Damit bleibt eine Beurteilung des Sachverhalts letztlich wieder auf den Willen des Erblassers beschränkt.
Wurde dieser zur Übertragung seines Vermögens mittels Drohung oder Täuschung genötigt oder bewusst in eine Angstsituation gebracht, wird der neutrale Betrachter eher an eine Situation der Erberschleichung denken. Liegt der Fall aber so, dass der Erblasser seelsorgerisch gepflegt und betreut wurde und sich aus eigener Eingebung zu der Übertragung entschloss, so wird wohl diesem Erblasserwillen der Vorrang eingeräumt werden dürfen.
Dass eine Beurteilung immer abhängig vom Einzelfall stattfinden muss, sollte anhand dieses Beispiels klar werden. Deshalb leben die nachfolgenden Ausführungen auch von weiteren Beispielsfällen, die die Nuancen der Erberschleichung aber nicht abschließend darstellen können.
Helfen Sie uns und teilen uns Ihnen bekannte Fälle der Erberschleichung mit!
Inhaltlich setzt sich das Buch mit Blick auf die oben geschilderten Konstellationen deshalb aus unterschiedlichen Bausteinen zusammen, die aus Gründen der Übersichtlichkeit nachfolgend kurz beschrieben werden sollen.
Dabei ist vorrangig zu berücksichtigen, dass dieses Buch Betroffenen helfen soll, Erberschleichung einzudämmen. Betroffen sind nach Ansicht der Verfasser der Erblasser und in der Regel die gesetzlichen Erben bzw. diejenigen, die durch eine Änderung des ursprünglichen Erblasserwillens beeinträchtigt sind.
Deshalb sind zum einen die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Möglichkeiten vor allem der zweiten Personengruppe umfangreich dargestellt. Daneben werden aber auch Handlungsalternativen aufgezeigt, die helfen sollen, eine Erberschleichung von Anfang an unmöglich zu machen. In diesem Kontext stehen auch Ausführungen zu den Ursachen der Erberschleichung, ebenso Aussagen über die einzelnen Formen der Erberschleichung, die Gegenstand der Abhandlung sind, damit das Risikopotential der Erberschleichung plastisch dargestellt werden kann.
B. Beispielsfälle für Erberschleichung
I. Der Begriff der Erberschleichung
Unter dem Begriff der Erberschleichung bzw. unter ähnlichen Begriffen findet man überraschenderweise im Internet, in der Literatur und in gesetzlichen Regelungen fast keinen weiterführenden Anknüpfungspunkt, sondern beispielsweise Hinweise auf Musikgruppen oder alte, literarische Werke. Das Thema „Erberschleichung“ im technischen oder auch juristischen Sinne wird insbesondere in der juristischen Literatur übersehen oder besser ausgedrückt, gar nicht gesehen. Das mag an der enormen Dunkelziffer der Fälle liegen. Es werden kaum Sachverhalte bekannt. Personen, die durch Erberschleichung Vermögensmassen an sich genommen haben, prahlen damit kaum in der Öffentlichkeit, sondern sind meist sehr zurückhaltend in ihrem Auftreten nach Außen. Zugleich sind die Erblasser als Betroffene in der Regel bereits verstorben, sodass es kaum eine Resonanz im Falle einer Erberschleichung gibt. Nur in Einzelfällen versuchen sich die übergangenen, vormaligen Erben zu wehren und gehen gegen eine Erberschleichung vor.
Erberschleichung wird von der Gesellschaft und unserem Rechtssystem als Tatsache verdrängt!
Im Rahmen der Begriffsdefinition muss klar darauf hingewiesen werden, dass der legale Erbgang, also die Einsetzung einer Person oder einer Institution (beispielsweise einer Stiftung) nicht unter den Begriff der Erberschleichung fällt, wenn die Voraussetzung der Freiwilligkeit auf Seiten des Erblassers gegeben ist. Entspricht die Begünstigung dem ungetrübten Erblasserwillen, so ist das auch von Seiten der daraufhin Betroffenen (oft der gesetzlichen Erben) zu akzeptieren.
Die Grenzziehung zwischen legalem, nicht rechtswidrigem und rechtswidrigem Vermögenserwerb ist schwierig. Kompliziert ist insbesondere der Nachweis zu führen, dass der betroffene Erblasser entweder die auf den Erberschleichenden zurückzuführende Erbfolge nicht wollte oder sie, wenn er die Konsequenzen und den Fortgang der Sache gekannt hätte, in dieser Form gar nicht abgegeben hätte oder so unter Druck stand, dass er einfach aus dieser Drucksituation heraus seine Zustimmung erteilte. Die betroffenen und ausgeschlossenen (gesetzlichen) Erben können diese Sachverhalte oftmals kaum oder nur schwer nachweisen. Insbesondere nachfolgende Gesichtspunkte können im Einzelfall ganz besonders für eine Erberschleichungssituation sprechen:
(1) die Ausnutzung der Willensschwäche,
(2) die Ausnutzung einer Krankheit,
(3) die Ausnutzung einer psychischen Abhängigkeit,
(4) die Ausnutzung von Drucksituationen,
(5) die Ausnutzung einer Hilflosigkeit und
(6) ähnliche Umstände (beispielsweise falsche Versprechen).
Erberschleichung setzt damit sozusagen ein unredliches Verhalten des Begünstigten voraus!
Unter Erberschleichung fällt also nicht, wenn die Begünstigung
(1) aus Motivation der Lauterkeit,
(2) aus Verärgerung über Dritte oder Angehörige,
(3) als Dank für langjährige Freundschaft oder
(4) als Dank für eine Pflege
erfolgt.
Für die Abgrenzung der Einzelfälle von der legalen Vermögensübertragung zur eigentlichen Erberschleichung ist damit der Erblasserwille ausschlaggebend. Deshalb ist es aus Sicht der Verfasser in der Praxis immer ganz entscheidend, dass beispielsweise im Rahmen einer Schenkung oder einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen die Motivation des Erblassers klar zum Ausdruck gebracht wird. Damit können spätere Streitigkeiten vermieden werden.
Erberschleichung geschieht häufig durch Erbeinsetzung oder Schenkung!
Im Rahmen einer Prüfung, inwieweit eine Erberschleichung vorliegt, muss die mit dieser Frage befasste Person auch immer die äußeren Umstände und insbesondere die Lebensumstände des Erblassers in den letzten Jahren bzw. Monaten prüfen. Denn in vielen Fällen ist der Erblasserwille gerade nicht eindeutig zu ermitteln, sodass dieser nur anhand nachfolgender Fragen vermutet werden kann. Entscheidend sind hier insbesondere die Antworten auf folgende Fragen:
(1) Wie kam es zu dem Kontakt zu dem nunmehr Begünstigten?
(2) Wie lange kennen sich der Begünstigte und der Erblasser?
(3) Wie eng sind die freundschaftlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Begünstigten und dem Erblasser?
(4) Worin und wann liegt der Ursprung des Kennenlernens?
(5) Worauf (beispielsweise auf welcher Tätigkeit des Begünstigten) beruhte das Verhältnis zwischen Begünstigtem und Erblasser?
Achten Sie also besonders darauf, dass ein Dritter unerwartet ein besonderes Vertrauens- und Näheverhältnis zum Betroffenen entwickelt!
Besondere Beachtung ist immer solchen Fällen zu schenken, bei denen der Kontakt aus beruflichen Gründen veranlasst war. Das gilt insbesondere dann, wenn der Begünstigte aus beruflichen Gründen oder wegen seiner beruflichen Stellung Einblick in die Vermögenssituation des Erblassers hatte. Die Praxis zeigt, dass insbesondere immer mehr Pflegepersonen, die oftmals in überhaupt keinem früheren, persönlichen Verhältnis zu dem Erblasser standen, auf einmal begünstigt werden, in der Regel, indem sie als Erbe eingesetzt werden. Das gilt für Heilberufe ebenso, wie für Steuerberater oder Bankmitarbeiter, die einen guten Überblick über die Konten des Betroffenen haben. Nochmals wird darauf hingewiesen, dass selbst in diesem Bereich die Begünstigung bzw. Erbeinsetzung freiwillig sein kann, wenn die entsprechende Motivlage beim Betroffenen vorhanden war. Dann liegt keine Erberschleichung vor. Entscheidend ist nach wie vor der Einzelfall.
Eine Grenzziehung gestaltet sich häufig mehr als schwierig. Insbesondere ist es oft nicht möglich, eine entsprechende Drucksituation in Bezug auf den Erblasser nachzuweisen. Dass dieser die entsprechende Begünstigung nicht wollte, ist oftmals nur mit kriminalistischer Kleinarbeit nachzuweisen. Zur Vorbereitung des Prozesses müssen dann die näheren Angehörigen, die in der Umgebung mit dem Betroffenen wohnten, Ärzte (vor allem der Hausarzt) oder sonstige Vertrauenspersonen (Nachbarn oder Freunde) befragt werden.
Je mehr Personen des echten Willen des Betroffenen bestätigen können, desto besser ist das!
Letztlich sind vielfach vor Gericht Sachverständige entscheidend, die durch ein Gutachten nachweisen können, ob überhaupt noch eine Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit und damit ein ausreichender Erblasserwille vorhanden war, die entsprechende Begünstigung vorzunehmen. Die Schwierigkeit für einen Sachverständigen ist dabei, dass er den Erblasser nicht kannte bzw. ihn je gesehen hat. Das Hauptproblem liegt also häufig in der Beurteilung der Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit aus einer Sicht ex post.
Dabei kann es auch entscheidend sein, dass der Erblasser zwar geschäfts- bzw. testierunfähig war, zum Zeitpunkt beispielsweise der letztwilligen Verfügung von Todes wegen aber einen lichten Augenblick, einen sog. lucidum intervallum, gehandhabt hatte. Das genügt, um die Wirksamkeit der Begünstigung zu begründen. Dass sich daran im Prozess Beweisschwierigkeiten für beide Seiten knüpfen, liegt in der Natur der Sache.
Der Nachweis einer Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen ist in einem Gerichtsverfahren sehr schwer!
Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung eine Erbeinsetzung praktisch bis zum letzten Augenblick möglich machen. Aus Sicht der Verfasser ist allerdings im Hinblick auf die Beweisproblematik im Zusammenhang mit dieser Frage eine Gesetzesänderung notwendig und längst überfällig, um in vielen Einzelfällen Rechtssicherheit zu schaffen. Unserer Ansicht nach sollte die Geschäftsfähigkeit Grundvoraussetzung für jede letztwillige Verfügung von Todes wegen sein, ebenso wie eine in der Praxis noch weit reichende Regel fehlt, die eine testamentarische Begünstigung von Heim- und Pflegepersonal umfassend und in der Praxis wirksam regelt. Es ist weiterhin zu überlegen, ob nicht auch andere Berufsgruppen von einem solchen Regelungswerk erfasst sein sollten.
II. Beispielsfälle für Erberschleichung in der Praxis
Wie bereits erwähnt, ist es fast unmöglich, alle Facetten der Erberschleichung darzustellen. Andererseits kann man sich häufig auch kaum vorstellen, wie in der Praxis eine Erberschleichung abläuft. Die nachfolgenden Beispiele sollen deshalb einen ersten Überblick geben und zwar mit Sachverhalten, die eine Erberschleichung durch Dritte, aber auch durch Angehörige zeigen.
Beispielsfall 1: Schwester gegen Schwestern in Deggendorf
In Deggendorf ist es bisher, der Fall ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, einer von fünf Schwestern gelungen, praktisch das gesamte Vermögen der Eltern an sich zu reißen. Im Zuge dessen muss darauf hingewiesen werden, dass Erberschleichung nicht unbedingt in Gestalt eines Testaments erfolgen muss, sondern auch mittels Übertragung zu Lebzeiten möglich ist.
In dem vorgenannten Fall hatte die eine Schwester es unter Ausschluss ihrer fünf Schwestern geschafft, die Eltern zum Notar zu bringen und entgegen sämtlichen Äußerungen, die die Eltern dabei tätigten, die Übertragung des Vermögens an sich zu bewirken. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass der Notar diesbezüglich anscheinend Bedenken hatte und eine Bestätigung der Geschäftsfähigkeit der betroffenen Mutter durch den Hausarzt verlangte, die dieser auch ausstellte.
In derartigen Fällen taucht im Anschluss daran immer die gleiche Problematik auf und zwar, dass Notare als zukünftige Zeugen im Prozess oftmals ungewollt Erberschleichende unterstützen, weil sie meistens selbst überhaupt gar nicht wissen, was der Hintergrund des zu beurteilenden Sachverhalts ist. Der wahre Wille des Betroffenen wird nicht ausreichend festgestellt.
So hat der Notar auch in diesem Fall in einem Prozess, in dem es um die Nichtigkeit der maßgeblichen Verträge ging, ausführlich bestätigt, dass er der Ansicht war, dass die Ehefrau und Mutter der betroffenen Schwestern genau wusste, was sie tat. Der durch das Gericht im gleichen Termin der mündlichen Verhandlung vernommene Sachverständige bestätigte allerdings genau das Gegenteil. Er wies darauf hin, dass gerade Fragen, die nur mit einem „Ja“ beantwortet werden, keinen eindeutigen Schluss auf das Vorliegen von Geschäftsfähigkeit zulassen.
Dieser Fall wird als Konsequenz hieraus nicht nur deswegen geschildert, weil man an ihm erkennen kann, dass nicht unbedingt eine letztwillige Verfügung den Betroffenen benachteiligen kann, sondern hierfür auch Verträge zu Lebzeiten ausreichen. Es genügt vielmehr häufig, dass ein Angehöriger die Pflege der Eltern übernimmt oder gar ein Nichtangehöriger bzw. eine fremde Person die Aufsicht über die betroffene Person tagtäglich ausübt und den Erblasser damit zu Lebzeiten beeinflussen kann, ohne dass (andere) Angehörige noch näheren Einfluss auf den Betroffenen haben.
Dann besteht die Möglichkeit der Erberschleichung unabhängig von der konkreten Ausgestaltung, da der Erberschleichende mit gutem Zureden oder aufgrund mangelnden Widerstandes von Seiten des Betroffenen sich eine Begünstigung verschaffen kann.
Beispielsfall 2: Vorsorgevollmacht contra Betreuung in München
Bedauerlich ist das Schicksal einer vermögenden Ärztin aus München. Sie hatte eine sehr gute Freundin, die sich um sie kümmerte, sodass diese auch als Erbin eingesetzt wurde. Die Ärztin lebt übrigens bis heute noch. Das Kernproblem dieses Falles ist, dass im Umfeld der Ärztin mehrere Personen nur ein einziges Ziel hatten und haben und zwar, sich der Erbschaft bzw. des Vermögens zu bemächtigen. Im derzeit maßgeblichen Rechtsstreit wurden im Zuge dessen mehrere Vorsorgevollmachten vorgelegt, die den betreffenden Personen nacheinander Vollmacht geben sollten, über das Vermögen der Ärztin zu verfügen.
Die Ärztin wusste zwar dabei immer, wem sie alles Vollmacht erteilt hat. Jeder der Bevollmächtigten hofft aber natürlich nun, dass er im Rahmen eines Testaments zum Erben wird. Demzufolge existieren in diesem Fall zwischenzeitlich mehrere Testamente. Selbst der Hausarzt hat sich durch ein Testament einsetzen lassen. Wer letztendlich erbt, wird ein Gerichtsverfahren klären und zwar ganz entgegen dem Willen der Erblasserin.
Die Problematik dieses Falles möchten wir deshalb schildern, weil er deutlich zeigt, dass oftmals auch gerade bei einer Situation die Erberschleichung auf einmal nach dem Tod des Betroffenen (hier ist die Person allerdings noch nicht einmal gestorben) verschiedene Testamente auftauchen können. Dann muss man klären, welches Testament wirksam ist.
Wir kennen in diesem Bereich auch Fälle, in denen Testamente verschwunden sind, weil der Erberschleichende natürlich das letzte Testament, dass zu seinen Gunsten gemacht wurde, bei Gericht vorlegen will. Der Zugriff und zwar der erste Zugriff auf die Wohnung des verstorbenen Erblassers ist dann oftmals entscheidend für den weiteren Fortgang des Erbfalls und die Frage, wer tatsächlich als (vermeintlicher) Erbe auf den Nachlass zugreifen kann.
Beispielsfall 3: ein 90-Jähriger Münchner heiratet
In München ist ein Fall bekannt geworden, in dem ein 90-Jähriger kurz vor seinem Ableben von seiner langjährigen Sekretärin geheiratet wurde. Die Heirat wurde von einem Vertrauten des Mannes und der Frau eingefädelt, sicherlich in der Hoffnung, dass der Vertraute eines Tages das gesamte Vermögen über die Frau als Umweg erhält. Die Rechnung ging auf, denn der 90-Jährige heiratete seine Sekretärin. Wenige Jahre später starb der 90-Jährige wie erwartet und vererbte der Sekretärin ein Millionenvermögen.
Dem Vertrauten ist es zwischenzeitlich gelungen, nahezu das gesamte Vermögen, das sich auf etwa € 10.000.000,00 beläuft, mittels der verwitweten Frau an sich zu nehmen. Die gesetzlichen Erben gingen leer aus. Was in diesem Fall besonders auffiel war, dass die potenzielle Erbin und künftige Ehefrau sich dadurch auszeichnete, dass sie den würdigen, renommierten Wissenschaftler, der auf ein erfülltes und erfolgreiches Leben zurückblicken konnte, äußerst schlecht behandelte.
Den Fall schildern wir deswegen, weil wir immer wieder sehen, dass Personen, die in eine derartige Erberschleichungssituation kommen, sich gerade nicht dadurch auszeichnen, dass sie die betroffene Person besonders gut behandelt, sondern sich zum Teil würde- und rücksichtslos verhalten, sobald sie die gewünschte Regelung, die sie begünstigt, erreicht haben.
Beispielsfall 4: Immer wieder Adoptionen
Ganz neu sind die immer häufiger auftretenden Fälle der Adoption. Die Erberschleichenden wissen in der Regel, dass ein handschriftliches Testament, das gerade keinen zweiseitigen, bindenden Erbvertrag darstellt, jederzeit geändert werden kann. Das wird für eine Erberschleichung häufig genutzt. Um Erbschaftssteuern zu sparen, aber auch im Erbfall auf Nummer sicher zu gehen, wird manchmal den Betroffenen die Adoption vorgeschlagen.
Damit erreicht man zweierlei. Zum einen beurteilt sich der Vermögensübergang nach einer günstigeren Steuerklasse in Bezug auf die Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Andererseits erreicht man durch eine Adoption, dass dem Adoptierten ein gesetzlicher Pflichtteilsanspruch zusteht. Die Adoption ist deshalb ein guter Weg für einen Erberschleichenden, sich eine sichere Position zu verschaffen.
Wir hatten derartige Fälle bereits in unserer Praxis zu prüfen. Der Betroffene, meist ein älterer Mensch wird dazu gebracht, dass er den potenziellen Erberschleichenden als Kind annimmt und adoptiert. In einer von uns gestalteten Fernsehsendung mit Herrn Jürgen Fliege wurde ein sehr anschaulicher Fall geschildert, in dem sich ein Pfarrer von einer 85-Jährigen Dame adoptieren ließ. Ein solcher Sachverhalt legt zumindest den Verdacht nahe, dass Adoptionen zu einer Erberschleichung dienen können. Das ist aber nicht zwingend. Es kommt, wie bereits mehrfach formuliert, immer auf den konkreten Erblasserwillen an.
Beispielsfall 5: Bankmitarbeiter und Steuerberater
Es fällt uns immer stärker auf, dass gewisse Berufsträger immer häufiger als Erben eingesetzt werden. Wir kennen Fälle, in denen Bankmitarbeiter insbesondere aufgrund ihrer Kenntnisse des jeweiligen Vermögensstandes der Einzelpersonen sich des Vermögens älterer Menschen bemächtigen. Uns sind ebenso Fälle bekannt geworden, bei denen Steuerberater auf einmal über ein großes Vermögen verfügten.
In diesen Fällen ist demnach festzuhalten, dass gerade Einblickmöglichkeiten in das Vermögen viele Personen zur Erberschleichung verführen. Auch hier handelt es sich allerdings nicht um den Regelfall, sondern um Einzelfälle.
Beispielsfall 6: Die ältere Dame in Grünwald
In Grünwald ist ein Fall bekannt, der besonders gravierend erscheint. Eine ältere Dame, die über 80 Jahre alt war, nahm in ihr Mietshaus einen Immobilienmakler auf. Der Immobilienmakler freundete sich ganz bewusst mit der Dame an und veranlasste, dass er als Alleinerbe bezüglich des gesamten Vermögens eingesetzt wurde, obwohl weder eine private, noch eine sonstige (Pflege)Beziehung bestand. Die 80-Jährige Dame erkannte das überhaupt nicht. Wenige Tage später veranlasste sie weitere Testamente. Welches nun wirksam ist, müssen die Gerichte entscheiden.
Beispielsfall 7: Der Gärtner als Erbe
Vor einigen Monaten kamen Angehörige einer Betroffenen zu uns und teilten uns mit, dass ihre betagte Großmutter einen Gärtner angestellt hatte, bei dem auffällt, dass seine Kinder, obwohl sie eigentlich nicht viel verdienten, alle neue Autos fuhren. Die näheren Recherchen ergaben, dass die ältere Dame, sicherlich bedingt durch dauernde Gespräche mit dem Gärtner und das dauernden Zusammenseins mit ihm von diesem in eine völlige Abhängigkeit geführt wurde. Die ältere Dame ließ sich glücklicherweise soweit beraten (was leider eher selten der Fall ist), dass sie den Gärtner auf unsere Veranlassung entließ. In letzter Minute konnte eine Erberschleichung verhindert werden.
Beispielsfall 8: Pflegefälle
Die Anzahl der oben dargestellten Beispielsfälle kann beliebig fortgesetzt werden. Deshalb können wir auch keine Standardsituation darstellen oder bestimmte, enge Tatbestände der Erberschleichung benennen. Aktuell sind aber sicherlich Fälle, in denen Erberschleichung durch Pflegekräfte erfolgt.
Hier haben wir in der Vergangenheit ganz eklatante Fälle erlebt. Ein solcher Sachverhalt liegt in der Regel vor, wenn der Betroffene aus Gesundheitsgründen nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen frei zu äußern oder einfach Angst davor hat, dass er allein gelassen wird. Wir haben auch erlebt, dass Pflegepersonen damit drohten, der Betroffene werde unter Betreuung gestellt oder komme in ein Heim, wenn er dem Erberschleichenden nicht nachgebe.
Wir haben auch erfahren müssen, dass in diesem Fall die Pflegeperson praktisch mit dem Betroffenen machen konnte, was sie wollte, da es an einer ausreichenden Handhabe bzw. Kontrolle hiergegen fehlte. Der enge Kontakt zu dem Erblasser gewährleistete dann häufig, dass Pflegekräfte innerhalb kürzester Zeit das gesamte Vermögen im Rahmen eines Testaments erhielten.
Da die betroffenen Personen meist in totaler Anonymität abgeschoben sind, die Angehörigen oftmals auch kein besonders großes Interesse an ihnen zeigen und anstatt von ständigen Besuchen oder irgendeinem persönlichen Kontakt eine Pflege von dritter Seite vorschieben, um sich möglichst wenig um den Angehörigen kümmern zu müssen (diese werden sowieso durch jemand anderen gepflegt), wird eine Erberschleichung aufgrund der Isolierung des Betroffenen stark erleichtert.
Beispielsfall 9: die Turnfreundin
In einem noch nicht abgeschlossenen Fall aus unserer Praxis geht es um eine inzwischen verstorbene Erblasserin, deren Schwestern eine Erberschleichung vermuten. Zu einem Zeitpunkt als die Erblasserin schon gesundheitlich leicht angeschlagen war, meldete sich bei ihr eine Turnfreundin, die in den weiteren Wochen einen starken persönlichen Kontakt aufbaute und der Betroffenen zusagte, dass sie und ihr Mann sie weiterhin in deren Haus pflegen würden und nur im Notfall eine Einlieferung in ein Pflegeheim in Betracht käme. Daraufhin wurde die Erblasserin von der Turnfreundin zu einem Notar gebracht, der soweit nach derzeitigem Verfahrensstand ersichtlich in einer Bürogemeinschaft mit einem Verwandten der Turnfreundin stehen könnte.
Vor dem Notar wurde ein Testament errichtet, in dem die Erblasserin die Turnfreundin und ihren Mann als Erben einsetzt, allerdings unter der Auflage der, wie oben dargestellten Pflege. Hilfsweise wurde eine gemeinnützige Organisation begünstigt. Damit sind die Schwestern der Betroffenen außen vor. Ihnen steht gesetzlich nicht einmal ein Pflichtteilsanspruch zu. Im konkreten Fall war es dann sogar so, dass die Turnfreundin und deren Mann die Betroffene in ein Krankenhaus brachten, danach in ein Hospiz bringen wollten und entgegen deren Wunsch Familienandenken, wie Schmuck und Fotographien nicht an die Schwestern nach dem Tod der Betroffenen übergaben. Ebenfalls entgegen ihrem Willen wurde die Erblasserin nicht neben ihrem vorverstorbenen Ehemann bestattet, sondern eingeäschert.
Beispielsfall 10: Streit in der Familie in Göttingen
Dieser Fall ist ebenfalls noch nicht abgeschlossen, spiegelt aber ein jahrelanges Zerwürfnis in einer vermögenden Familie (Vater, Mutter, Tochter und Sohn) wieder. Vor Jahren kam es zu einer Auseinandersetzung um Vermögenswerte; zuerst im Verhältnis zu dem Vater. Dieser hatte gesundheitlich abgebaut, sodass die Ehefrau und Mutter eine Betreuung einrichten ließen und für diesen sorgten.
Im Laufe der Zeit versuchte vor allem der Sohn Einfluss auf den Vater zu gewinnen, indem er den später eingesetzten neutralen Betreuer, aber auch die zusammen helfenden Mutter und Tochter versuchte zu blockieren. Es wurden mehrere Gerichtsverfahren eingeleitet, bei denen der Sohn durch einen langjährig beauftragten Rechtsanwalt vertreten wurde.
Nach dem Tod des Vaters setzte sich die Auseinandersetzung in der Familie auf vielen Ebenen fort, unter anderem ging es um die Pflichtteilsansprüche der beiden Kinder. Wiederum versuchten die Kinder Einfluss auf die Mutter zu nehmen, wobei es insbesondere der Sohn schaffte, sich Vermögenswerte anzueignen, indem er Immobilien der Mutter über eine eigene Handwerksfirma kostspielig renovierte und mit der Mutter Bargeld von deren Konten abhob.
Die Tochter versuchte die Vermögensvernichtung zu verhindern, indem sie eine Betreuung für ihre Mutter beantragte. Es wurde ein neutraler Betreuer eingesetzt, der aber insbesondere von Seiten des Sohnes stark angegriffen wurde. Dieser erreichte dann im Fortgang der Sache, dass der neutrale Betreuer abgelöst wurde und zwar durch den Rechtsanwalt, der jahrelang den Sohn selbst anwaltlich vertreten hatte.
In der Folgezeit gelang es dem Sohn nach derzeitigem Sachstand, die gesundheitlich angeschlagene Mutter finanziell auszunutzen. Dabei wurde er durch den Rechtsanwalt trefflich unterstützt. Es liefen immer mehr Gerichtsverfahren, die zwar im Jahr 2005 durch einen gerichtlichen Vergleich zwischen Mutter und Tochter beendet wurden. Dieser gerichtliche Vergleich wurde aber nach Aufhebung der Betreuung durch den genannten Rechtsanwalt wiederum massiv angegriffen, sodass alle Rechtsstreitigkeiten nunmehr weitergehen, mit dem Unterschied, dass nunmehr der Sohn den alleinigen Zugriff auf seine Mutter hat, die nicht mehr durch eine Betreuung geschützt wird.
Er bestimmt deren Aufenthaltsort, deren Umgang und sogar die Korrespondenz und versucht sich deren Vermögenswerte anzueignen. Obwohl die Mutter den Kontakt zur gesamten Familie wünscht, wird das verhindert. Entgegen ihrem Willen, keine weiteren Prozesse führen zu müssen, reicht der durch den Sohn beauftragte Rechtsanwalt immer wieder neue Klagen ein. Zugleich wird das Vermögen der Mutter Zug um Zug ausgehöhlt.
D. Ursachen für Erberschleichung in der heutigen Zeit
I. Die Einsamkeit im Alter
Aus Sicht der Verfasser betreffen Fälle der Erberschleichung leider sehr häufig ältere Menschen. Wir sehen hierfür zwei wichtige Gründe, zum einen die Tatsache, dass gerade bei diesen Personen mit Blick auf einen wahrscheinlichen, zeitnahen Erbfall die Erberschleichung erst attraktiv wird. Andererseits sind ältere Menschen oft gerade diejenigen, die durch eine vermeintliche Vertrauensperson am leichtesten beeinflusst werden können.
Ältere Menschen sind durch Erberschleichung besonders gefährdet!
Zentralen Grund für die Zunahme der Erberschleichung in den letzten Jahren ist aus unserer Sicht, dass älteren Menschen immer häufiger ein Ansprechpartner fehlt. Das macht es den Erberschleichenden leicht, ihr Vorhaben durchzusetzen, da sie als Ansprechpartner keine Konkurrenz haben. Das zentrale Phänomen der Einsamkeit im Alter ist deshalb wichtiger Ausgangspunkt für eine Ursachenforschung im Bereich der Erberschleichung.
Die Brisanz des Themas wird bereits dadurch bestätigt, dass dem gesellschaftlichen Bild älterer Menschen häufig negative Züge anhaften. Mit dem Alter werden gewöhnlich Eigenschaften wie inflexibel, einsam, krank und hilfebedürftig verbunden. Dieses Bild, das sich häufig als Fehlvorstellung erweist, lässt sich aber nicht verallgemeinern, denn es unterstellt, dass im Laufe des Lebens und insbesondere im Alter ein ständiger Abbau der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit stattfindet.
Unbestritten bleibt allerdings die Tatsache, dass es dennoch eine Vielzahl von Betroffenen gibt, die gerade aufgrund ihrer Situation im Alter gesundheitlich oder sozial besonders beeinträchtigt sind. Diese Personengruppe stellt damit auch die in der Regel bei Erberschleichung Betroffenen.
Einsamkeit umfasst als negatives Erlebnis von Vereinzelung, Isolation, als Einsamkeit in der Gemeinschaft nach Auffassung der Literatur folgende Merkmale: Unfreiwilligkeit, Hilflosigkeit, Erfahrung eigener Schwäche, Selbstunsicherheit, Selbstabwertung, emotionale Trennung von anderen und Sehnsucht nach sozialer Eingebundenheit und Wertigkeit.
Einsamkeit entsteht also durch die Koppelung des Alleinseins mit dem Gefühl des unzureichenden privaten Austauschs mit anderen oder einem empfundenen Mangel oder Verlust an sozialen Quellen emotionaler Bindung, Wärme und Trost. So kann ein Mensch sich einsam fühlen, obwohl er in ein soziales Netz eingebunden ist. Im Mittelpunkt steht also nicht die Verfügbarkeit und Häufigkeit von sozialen Kontakten zu Familienangehörigen oder Freunden, sondern der qualitative Aspekt im Sinne einer gelungenen Bedürfniserfüllung durch Beziehungen zu anderen.
Wenn sich Angehörige um Betroffene ein Leben lang kümmern, dann verringert sich das Risiko einer Erberschleichung!
Mit zunehmendem Alter gibt es wissenschaftlich belegbar ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit. Nichtmaßgeblich ist dagegen das Geschlecht des Betroffenen und zumindest umstritten ist es, ob die Bildung und der soziale Status Einfluss auf das Risiko einer Einsamkeit im Alter haben können. Gesichert ist dagegen, dass der Familienstand ein wesentlicher Faktor ist. Verheiratete Menschen mit Kindern haben ein geringeres Risiko, als verwitwete kinderlose Menschen. Ein ganz wesentlicher Punkt ist darüber hinaus der schlechte Gesundheitszustand, der sich sehr stark hin zu einer Isolationssituation entwickeln kann. Zusammenfassend lassen sich folgende Risikofaktoren zusammenfassen:
(1) schlechter Gesundheitszustand, insbesondere Einschränkung der Bewegungsfähigkeit,
(1) fehlende bzw. unbefriedigende Sozialkontakte, insbesondere Mangel an Freunden,
(2) Kinderlosigkeit bzw. schlechtes Verhältnis zu den Kindern,
(3) Erkenntnis des erfolglosen Ausgangs von Beziehungen durch Tod, Verlust des Lebenspartners,
(4) Mangel an sozialen Kompetenzen, vor allem Kommunikationsfähigkeit,
(5) Orientierung der Wahrnehmung an negativen Erfahrungen, wobei Zurückweisungen von Dritter Seite als Schutz vor Kränkung.
II. Gründe für die Zunahme der Erberschleichung in den letzten Jahren
Die obigen Ausführungen sollten zeigen, dass insbesondere ältere Menschen mit Blick auf die dargestellten Risikofaktoren nicht nur ein erhöhtes Risiko der Einsamkeit haben. Das Fehlen eines Ansprechpartners hat gleichzeitig die Konsequenz, dass eine Situation der Erberschleichung leichter entstehen kann, da diese in der Regel durch das Auftreten des Erberschleichenden als hilfsbereite Vertrauensperson bedingt ist. Nachfolgende Übersicht soll daneben eine Antwort auf die Frage finden, warum die Erberschleichung in den letzten Jahren stark zugenommen hat.
(1) Familienzerfall
Die im letzten Jahrzehnt erlebte Zerstörung der Familienstrukturen insbesondere in den Städten erleichtert einem Erberschleichenden den Zugang zu einem künftigen Opfer.
(2) Singles in Deutschland
Die Zunahme der Einpersonenhaushalte, also insbesondere die Zunahme der Singles mit fehlender Einbindung in die Familienstrukturen, erhöht die Gefahr der Erberschleichung noch weiter.
(3) Erhöhte Lebenserwartung
Die erhöhte Lebenserwartung bewirkt, dass immer mehr Menschen einsam und verlassen sterben, weil die Spanne bis zum Tod sich verlängert und häufig die Angehörigen und besten Freunde längst vorverstorben sind.
(4) Der Kreis der Pflegepersonen
Die Erhöhung der Lebenserwartung bedeutet natürlich auch, dass eine verstärkte, häusliche Pflege bei Menschen stattfindet, die vererben und damit Opfer von Erberschleichenden werden können. Aufgrund des enormen Pflegebedarfs, wird darüber hinaus die Pflege oftmals von Fremdpersonen, die von weit herkommen, durchgeführt, die überhaupt keinen Kontakt, weder zur Familie noch zum Freundeskreis der gepflegten Person haben.
Viele Fälle von Erberschleichung gibt es bei der Pflege von gesundheitlich angeschlagenen Menschen!
Die Einbindung in das Familiengeschehen und die Einbindung oftmals auch in die früher bestehenden dörflichen Strukturen fehlt damit. Auch eine Kontrolle durch die Außenwelt findet im Rahmen der Anonymität der Städte nicht mehr statt. Die Umgebung ist gegenüber dieser Situation ignorant. Es fehlen die entsprechenden Ansprechpartner.
In der Praxis haben wir immer wieder erlebt, dass Betroffene überhaupt keinen Ansprechpartner mehr haben, sei es, weil diese gestorben sind oder weil sie sich aufgrund ihres Gesundheitszustands immer mehr von der Umwelt abgekapselt haben. Die Betroffenen sitzen die letzten Jahre ihres Lebens nur noch vor dem Fernseher und leben nicht mehr in familiären Gemeinschaften. Die Isolierung nimmt immer stärker zu, je höher das Alter ist.
(5) Mangelnde Kontrolle
Eine Kontrolle der Personen, die mit dem Erblasser zu tun haben, ist kaum möglich. Die Anonymität im Wohnbereich, aber auch die selbst gewählte Isolierung, führen dazu, dass die Erberschleichung bis zum Tod der betroffenen Person überhaupt nicht auffällt.
Häufig sind in einigen Fällen die Verwandten und Angehörigen aber selbst an der Einsamkeit des Erblassers schuld, da das Interesse gegenüber dem Betroffenen abgenommen hat. Die eigenen Wünsche sind so stark, dass der Kontakt zu Verwandten auf jährliche Geburtstage beschränkt wird. Alles andere, auch die persönliche Pflege, wird als Belastung angesehen. Damit öffnet man der Erberschleichung Tür und Tor.
(6) Finanzielle Motive
Ein weiterer Grund für die Zunahme der Erberschleichung ist sicherlich auch die Tatsache, dass aktuell erhebliche Geldbeträge in Deutschland vererbt werden und deshalb eine Erberschleichung aus finanzieller Sicht besonders lohnenswert erscheint. Nie gab es so viele Chancen, sich Vermögen im Wege der Erberschleichung anzueignen.
Das Ansteigen von Erberschleichung beruht auch darauf, dass derzeit in Deutschland sehr viel Vermögen vererbt wird!
III. Anzeichen für Erberschleichung
Im Zuge dessen gibt es mehrere Sachverhalte, bei deren Vorliegen eine Erberschleichung vorliegen kann. Diese Anzeichen werden nachfolgend dargestellt, damit Betroffene für derartige Situationen sensibilisiert werden.
(1) Isolierung des Erblassers
Ein erstes Warnzeichen ist fast immer die nach und nach immer stärker werdende Isolierung und Abschottung des Betroffenen nach außen. Der Erberschleichende schafft es, das persönliche Vertrauen des Betroffenen zu gewinnen. Er kümmert sich auch meist wirklich viel um den Betroffenen, manchmal übernimmt er das Entgegennehmen der Post (auch um sich das Lesen der Post zu ermöglichen) und damit die totale Kontrolle über die Korrespondenz des Betroffenen.
Er kümmert sich um das Telefon und nimmt nur Telefongespräche an, die für den Betroffenen nach Auffassung des Erberschleichenden wichtig sind. Wir kennen Fälle, in denen die Post sogar umgeleitet oder das Telefon abgeschaltet wurde. Der Erberschleichende lässt sich häufig auch Vollmachten geben. Diese Vollmachten tauchen später meist nur durch Zufall auf. Wir kennen Fälle, in denen Bankmitarbeiter auf einmal die Kollegen informierten, dass ein Betroffener ihnen Vollmacht eingeräumt hat. Wir erleben auch Fälle, dass Bankmitarbeiter uns anriefen und darauf hinwiesen, dass enorme Geldbeträge durch einen bevollmächtigten Dritten abgehoben werden, beispielsweise durch Pflegepersonen, die bisher noch nicht bekannt waren.
(2) Besuchsverbot für Angehörige und Freunde
Die nächste Stufe ist dann das Besuchsverbot zur vollständigen Abschottung des Betroffenen. Es gibt in Deutschland kein Recht auf Besuch für Angehörige.
Oftmals wird dem Betroffenen vorgespiegelt, dass die Angehörigen nur etwas schlechtes von ihm wollen. Sie kümmern sich ja auch nicht um die betroffene Person, die der Pflege bedarf. Die Angehörigen sind nur auf das Geld aus. Im Verhältnis zu diesen verwehrt der Erberschleichende dann einen Besuch des Erblassers aus gesundheitlichen Gründen, was er jedenfalls als Bevollmächtigter auch durchsetzen kann. Diese Vollmacht lässt er sich vom Betroffenen noch schnell unterzeichnen. Bestehen die Angehörigen auf einem Besuch, so begehen sie Hausfriedensbruch.
(3) Gehirnwäsche
Häufig erfolgt eine Gehirnwäsche des Betroffenen. Durch ständige Wiederholung der Gefahren, die durch die bösartigen Angehörigen drohen, ist es für den Erberschleichenden leicht, eine ausreichende Bevollmächtigung zu erhalten, um damit den Ausschluss der Angehörigen und seine alleinige Handlungskompetenz zu erreichen.
(4) Wohnsitzwechsel
Eine weitere Möglichkeit ist der Wohnsitzwechsel. Weit weg von den Angehörigen unter gleichzeitiger Beschränkung von Post und Telefon wird der Betroffene abgekapselt und in eine fremde Umgebung gebracht, sodass sich der Einfluss der Angehörigen noch leichter beschränken lässt. Zugleich erhöht sich die Abhängigkeit des Betroffenen gegenüber dem Erberschleichenden.
D. Strafrechtliche Mittel gegen Erberschleichung
I. Einleitender Überblick
Wichtigste Information im Rahmen der Darstellung strafrechtlicher Mittel gegen Erberschleichung ist die Tatsache, dass es keinen speziellen Tatbestand gegen diese Verhaltensweise gibt.
Wir müssen demnach insbesondere auf die allgemeinen Tatbestände des Strafgesetzbuchs zurückgreifen, die nicht unbedingt auf die typischen Situationen der Erberschleichung zugeschnitten sind. Das folgt daraus, dass der Gesetzgeber eine strafrechtliche Regelung immer als letztes Mittel versteht, da das Strafrecht schließlich das schärfste Schwert unseres Rechtssystems ist. Deshalb hält es der Gesetzgeber für gerechtfertigt, die Mehrzahl der Erberschleichungsfälle alleine nach zivilrechtlichen Regelungen bestimmen zu lassen. Trotz der aktuellen Brisanz des Themas „Erberschleichung“ wird es wohl mittelfristig nicht zu einer Normierung eines gesonderten Straftatbestands kommen.
Erberschleichung ist nur in bestimmten Fällen strafbar!
Für den Gang der nachfolgenden Untersuchung beschränken wir uns ganz bewusst auf folgende vier Straftatbestände:
(1) Betrug gemäß § 263 StGB
(2) Untreue nach § 266 StGB
(3) Unterschlagung gemäß § 246 StGB
(4) Urkundendelikte nach §§ 267 ff. StGB.
Dieses Vorgehen rechtfertigt sich nicht nur aus der erhöhten Übersichtlichkeit, sondern auch dadurch, dass diese Straftatbestände im Falle einer Erberschleichung die wesentlichen Regelungen darstellen.
Unabhängig hiervon können im Einzelfall aber beispielsweise auch eine Körperverletzung nach § 223 StGB, eine Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB oder eine Nötigung nach § 240 StGB maßgeblich sein.
Nachfolgend werden deshalb in einem Gesamtüberblick die vier oben genannten Straftatbestände anhand der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen dargestellt.
II. Der Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB
Ein Betrug ist nach § 263 StGB nur dann anzunehmen, wenn vier Voraussetzungen neben dem Vorsatz des Täters kumulativ vorliegen:
(1) eine Täuschung des Täters,
(2) ein Irrtum des Getäuschten,
(3) die Vornahme einer Vermögensverfügung,
(4) ein Vermögensschaden des Getäuschten oder eines Dritten.
Im Regelfall wird bei einer Erberschleichung der Erberschleichende Täter und der betroffene Erblasser der Getäuschte sein.
Das Tatbestandsmerkmal Täuschung
Täuschung ist entweder die Vorspiegelung falscher oder die Entstellung bzw. Unterdrückung wahrer Tatsachen. Es handelt sich um ein auf Irreführung gezieltes Verhalten. Die Täuschung richtet sich immer auf Tatsachen und kann durch drei Varianten erfüllt werden:
(1) als Vorspiegeln einer Tatsache,
(2) als schlüssige Täuschung (irreführendes Verhalten mit Erklärungswert) oder
(3) als Täuschen durch Unterlassen.
Schwierigkeiten bereitet in den Fällen einer Erberschleichung insbesondere die dritte Variante, denn eine Täuschung durch positives Tun (Varianten 1 und 2) ist relativ leicht strafrechtlich nach zu verfolgen, beispielsweise wenn der Täter den Betroffenen über seine innere Einstellung, also insbesondere über das vermeintlich innige Gefühl der Zuneigung, täuscht. Ein Vorspiegeln falscher Tatsachen kann auch darin liegen, dass ein Täter vorgibt, er sei an denselben sozialen, kulturellen oder politischen Einrichtungen interessiert, wie der Erblasser und würde diese nach dessen Tod weiter fördern.
Das gilt ebenso für den Fall, bei dem der Täter dem Betroffenen zusagt, er werde sich um bestimmte Familienmitglieder nach dem Erbfall kümmern oder beispielsweise ein lieb gewonnenes Haustier weiter versorgen. Ebenso fällt in den Bereich der positiven Täuschung eine unwahre Äußerung in Bezug auf Verbindlichkeiten des Erberschleichenden gegenüber dem Betroffenen oder mit Blick auf Ansprüche des Erblassers gegen den Täter. Maßgeblich ist also zuerst immer das Verhältnis zwischen Erblasser und Begünstigtem.
Unabhängig hiervon gibt es aber auch Konstellationen, in denen das Verhältnis zwischen dem Erberschleichendem und einem Dritten zu bewerten ist. Als Dritter kommt insbesondere der ehemals gesetzliche Erbe in Betracht, der beispielsweise über die Reichweite seines Pflichtteilsanspruchs oder die Höhe des Nachlasses getäuscht wird.
Lässt man diese Fälle der positiven Täuschung beiseite, so gibt es zahlreiche Sachverhalte, in denen eine Täuschung durch Unterlassen zu prüfen ist.
Betrug kann durch falsche Versprechen oder unterlassene Information begangen werden!
Voraussetzung für die Strafbarkeit des Unterlassens ist mit Blick auf § 13 StGB regelmäßig, dass eine sog. Garantenstellung des Täuschenden vorliegt. Das bedeutet, dass er aus einem bestimmten Rechtsgrund heraus dazu verpflichtet sein muss, über die jeweilige Tatsache aufzuklären.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, woraus sich eine solche Garantenstellung ergibt, was nachfolgend in Bezug auf die diversifizierten Situationen der Erberschleichung belegt wird.
Eine Garantenstellung kann sich zuvorderst aus einer gesetzlichen Regelung ergeben.
Ist der Begünstigte zusammen mit anderen Personen, insbesondere den Angehörigen des Erblassers, dessen Erbe, so besteht aufgrund des Vorhandenseins mehrerer Miterben eine Erbengemeinschaft. In diesem Fall ist zu prüfen, ob sich im Rahmen dieser Gemeinschaft Aufklärungspflichten auch für den Begünstigten ergeben, sie ihm eine strafrechtlich relevante Garantenstellung zuweisen.
Allgemein gilt das allerdings nicht. Die Miterben sind sich untereinander nicht per se zur Aufklärung verpflichtet. Eine Ausnahme mag aber dort gelten, wo sog. ausgleichungspflichtige Zuwendungen gemäß § 2057 BGB im Raum stehen. Erhält ein Miterbe solche Zuwendungen durch den Erblasser, so muss er die anderen Miterben hierüber aufklären. Denn er muss sich den vorab erhaltenen Vermögensgegenstand auf sein quotenmäßiges Erbe anrechnen lassen. An diesem speziellen Sachverhalt lässt sich bei einem Unterlassen gegebenenfalls der Betrugsvorwurf anknüpfen.
Unabhängig hiervon legt § 2030 BGB eine Auskunftspflicht des sog. Erbschaftsbesitzers gegenüber einem Erben dar. Der Erbschaftsbesitzer ist ein Dritter, der den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände in Besitz hat, die der tatsächliche Erbe herausverlangen kann. Der oben genannte Anspruch auf Auskunft soll diese Herausgabe unterstützen.
Grundsätzlich ist es deshalb möglich, dass sich aus den §§ 2027, 2030 BGB eine Garantenstellung des Erbschaftsbesitzers, der zugleich der Erberschleichende sein kann, anzunehmen ist. Vergleichbar sind mit dieser Situation Fälle, in denen ein Dritter Besitz an einzelnen Nachlassgegenständen ergreift oder in häuslicher Gemeinschaft mit dem Erblasser gelebt hat.
Abgesehen von diesen Konstellationen, die das Verhältnis zwischen Erbe und Erberschleichenden betreffen, scheint sich eine Garantenstellung über die Aufklärungspflicht nach § 2362 Abs.2 BGB entwickeln zu lassen. Diese Norm regelt den Fall, dass ein unrichtiger Erbschein durch einen Dritten erwirkt worden ist. Auch in diesem Fall beruft sich ein Dritter bzw. der Erberschleichende auf eine unzutreffende Rechtsstellung zum Nachteil des eigentlichen Erben.
Eine weitere Variante betrifft den Bereich des Pflichtteilsrechts mit § 2314 Abs.1 S.1 BGB. Diese Vorschrift legt einen Auskunftsanspruch zugunsten des Pflichtteilsberechtigten dar. Hier kommt die Situation in Betracht, dass der Erberschleichende Erbe des Betroffenen wird und den übergangenen, vorhergehenden Erben Auskunft über den Umfang und Wert des Nachlasses zu erteilen hat, damit dieser die Höhe des Pflichtteilsanspruchs bestimmen kann.
Ein weiterer Fall ist die Aufklärungspflicht des Testamentsvollstreckers. Die Testamentsvollstreckung ist in den §§ 2197 ff. BGB geregelt und bedeutet, dass ein Dritter in Gestalt des Testamentsvollstreckers nach den Wünschen des Erblassers die weitere Entwicklung des Nachlasses beeinflussen kann. Insoweit ist dieser Testamentsvollstrecker dazu gehalten, den Erben eine vollständige und richtige Aufstellung in Bezug auf den Nachlass auszuhändigen. Hier besteht eine gegebenenfalls strafrechtlich maßgebliche Garantenstellung in diesem Zusammenhang.
Zuletzt kann im Einzelfall fraglich sein, ob ein Ehegatte dem anderen Teil gegenüber eine Garantenpflicht zur Aufklärung aus bestimmten familienrechtlichen Vorschriften innehat, beispielsweise aus den §§ 1353, 1626, 1631, 1705, 1793, 1800 BGB. Das kann nur sehr eingeschränkt angenommen werden.
Unabhängig von diesen Sachverhalten lässt sich eine Garantenstellung in bestimmten Fällen auch aus einem Vertrag ableiten.
Das ist aber nur sehr begrenzt anzunehmen, da es keine generelle Pflicht gibt, den Vertragspartner über bestimmte Umstände bzw. Tatsachen aufzuklären. Denn Vertragspartner haben in der Regel entgegenlaufende wirtschaftliche Interessen.
Eine Garantenstellung im Falle einer Erberschleichung ist aber dort vorstellbar, wo Berufsträger, insbesondere Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare und Bankmitarbeiter von dem Rat suchenden Betroffenen konsultiert werden und diesen nicht über bestimmte Umstände aufgeklärt haben.
Eine strafrechtlich relevante Garantenstellung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der spätere Erblasser unerfahren ist, sich erkennbar auf die besondere Sachkunde des Erberschleichenden verlässt, die verschwiegenen Umstände von entscheidungserheblicher Bedeutung waren und die fehlerhafte Willensbildung eine Vermögensrelevanz von nicht unbedeutender Tragweite aufweist. Ein vergleichbares Ergebnis kann dann festgestellt werden, wenn Ehegatten einen Erbvertrag abschließen und der eine Teil dem anderen Ehepartner gegenüber einen Wissensvorsprung hat und diesen aufgrund besonderer Sachkunde ausnützt.
Eine Garantenstellung kann aber auch durch die sog. Ingerenz hervorgerufen werden.
Ingerenz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine Pflichtwidrigkeit in Gestalt eines vorangegangenen Verhaltens vorgenommen worden ist und den pflichtwidrig Handelnden für die Zukunft eine gesteigerte Verantwortung trifft.
Hier gibt es viele Einzelfälle, die ein differentes Bild von dieser Tatbestandsgruppe zeichnen. Für die Situation der Erberschleichung ist aber insbesondere der Fall interessant, dass der Erberschleichende den Erblasser durch positives Tun täuscht und dann dazu angehalten ist, diesen Irrtum nachträglich wieder zu beseitigen.
Nur am Rande soll noch erwähnt werden, dass eine Garantenstellung auch aus einem besonderen Vertrauensverhältnis nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB heraus entwickelt werden kann. Hier wird aber ein ganz besonderes zwischenmenschliches Verhältnis vorausgesetzt, dass über eine bloße Freundschaft weit hinausgeht. Diese Intensität wird im Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erberschleichendem kaum erreicht werden.
Das Tatbestandsmerkmal Irrtum
Irrtum wird strafrechtlich als Widerspruch zwischen einer Vorstellung über bestimmte Tatsachen und der Wirklichkeit verstanden. Die Voraussetzung eines Irrtums ist insoweit nicht nur im Bereich des Betrugs nach § 263 StGB relevant, sondern bei einer Erberschleichung deshalb so bedeutend, weil dem Erblasser bei jedwedem Motivirrtum ein weitgehendes, erbrechtliches Anfechtungsrecht nach §§ 2078, 2079 BGB zugesprochen wird.
Ein strafrechtlich relevanter Irrtum mag beispielsweise dann vorliegen, wenn sich eine Lebensgefährtin fürsorglich um den Betroffenen kümmert und ihm immer wieder ihre Zuneigung offenbart. Hierauf wird die Lebensgefährtin testamentarisch als Erbin eingesetzt. Grund für die jahrelange Pflege war aber gerade nicht die vorgetäuschte innige Zuneigung, sondern die Absicht, an einen wertvollen Vermögensgegenstand zu gelangen. Insoweit unterliegt der Erblasser einem Irrtum über den wahren Grund der Pflegebereitschaft.
Anhand dieses Beispielsfalls lässt sich die Struktur des Irrtums besser erkennen. Entscheidend ist letztlich, dass der Erblasser in seiner Willensentschließung durch die Eingebungen des täuschenden Erberschleichenden unfrei wird. Maßgeblich ist dabei jedenfalls grundsätzlich nicht, ob die Täuschung leicht erkennbar ist oder der Betroffene Zweifel gegenüber den Aussagen des Erberschleichenden hegt.
Das Tatbestandsmerkmal Vermögensverfügung
Damit der Betrugstatbestand verwirklicht ist, muss der durch eine Täuschung hervorgerufene Irrtum eine Vermögensverfügung bewirken. Denn § 263 StGB schützt nur vor Beeinträchtigungen des Vermögens. Die Vermögensverfügung ist ein Verhalten, das sich unmittelbar als das Vermögen mindernd auswirkt.
Wir haben bei einem Betrug demnach eine Verknüpfung zwischen der Täuschung, die zu einem Irrtum führt und dem Irrtum, der eine Vermögensverfügung bewirkt. Diese Vermögensverfügung, die den Dritten begünstigt, muss gleichzeitig den Betroffenen benachteiligen.
In den Fällen der Erberschleichung gibt es verschiedene Sachverhalte, die eine solche Vermögensverfügung nahe legen. Wichtigstes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Einsetzung des Täuschenden als Erben in einem Testament oder Erbvertrag. Darüber hinaus kann eine Vermögensverfügung auch in einer Schenkung zu Lebzeiten begründet sein.
Die dargestellten Vermögensverfügungen müssen hiervon unabhängig von einem sog. Verfügungsbewusstsein bestimmt sein. So muss der Erblasser beispielsweise erkennen, dass er mit dem oben genannten Testament oder Erbvertrag eine erbrechtliche Regelung mit erheblicher Tragweite im Vermögensbereich abgibt.
Umstritten ist in der strafrechtlichen Literatur, inwieweit die mit Verfügungsbewusstsein vorgenommene Vermögensverfügung tatsächlich zu einer Vermögensminderung geführt haben muss. Dieser Punkt ist im Bereich der Erberschleichung durchaus kritisch, da der Abschluss einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen per se noch nicht zu einer unmittelbaren Vermögensverschiebung führt.
Besonders deutlich wird das bei einem einseitigen Testament, dass der Betroffene jederzeit widerrufen kann. Dennoch entfaltet eine letztwillige Verfügung von Todes wegen eine vergleichbare, begünstigende Wirkung wie eine Schenkung zu Lebzeiten, da der Nachlass nach dem Tod des Erblassers automatisch an den Begünstigten fällt. Ein betrugsrelevantes Verhalten kann deshalb gegebenenfalls angenommen werden. Jedenfalls eine Schenkung stellt aber eine maßgebliche Vermögensminderung dar.
Das Tatbestandsmerkmal Vermögensschaden
Sehr schwierig bei Fällen der Erberschleichung ist die Diskussion um den Vermögensschaden. Dabei ist bereits in der Literatur umstritten, wie der Begriff des Vermögens zu definieren ist und dementsprechend die Schadensberechnung zu erfolgen hat. Vorliegend ist diese Diskussion deshalb besonders bedeutend, weil vor allem fraglich ist, ob das durch den Erberschleichenden verhinderte Erbrecht beispielsweise der Angehörigen sich überhaupt als Vermögensschaden darstellt. Denn letztlich wurde nur die Erwerbsaussicht der vermeintlichen Erben enttäuscht.
Maßgeblich dürfte insoweit der Gesichtspunkt sein, ob dieser Erwerbsaussicht ein wirtschaftlicher Wert zukommt und es sich um eine schützenswerte Rechtsposition handelt. Oben hatten wir hierzu ausgeführt, dass das Erbrecht in der Regel nur eine sog. nackte Hoffnung ist. Dabei sind unterschiedliche Fälle zu betrachten.
Mit Blick auf die klare gesetzliche Regelung, dass das Erbesein als gesetzlicher Erbe zu Lebzeiten des Erblassers nicht geschützt wird und es sich um eine bloße Hoffnung handelt, die sogar durch einseitiges Testament zerstört werden kann, wird für diesen Zeitraum und in diesem Fall bei einer anderweitigen Erbeinsetzung oder Schenkung noch kein Vermögensschaden zum Nachteil des potenziellen (gesetzlichen) Erben anzunehmen sein. Dieser Fall dürfte auch bei dem Erben so zu entscheiden sein, der durch einseitiges Testament als Erbe eingesetzt ist.
Eine andere Situation liegt aber dort vor, wo ein Erbvertrag zwischen zwei Personen geschlossen wurde. Hier könnte man daran denken, dass eine stärkere Bindung des Erblassers vorliegt, die zu einem Vermögensschaden des Vertragspartners oder des im Erbvertrag Bedachten führt. Dem ist aber deshalb nicht so, weil die dortigen Vertragsschließenden zu Lebzeiten immer noch relativ unbeschränkt in ihrer Entscheidungsfreiheit sind und damit ebenfalls noch keine gesicherte Rechtsposition vorliegt.
Im Einzelfall gibt es noch viele weitere Situationen, in denen sich die Frage stellt, ob ein Vermögensschaden tatsächlich vorliegt. Diese Sachverhalte sollen hier nur angedeutet werden und betreffen beispielsweise die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten oder des Vermächtnisnehmers. Wird die Situation zu Lebzeiten des Erblassers betrachtet, so soll auch bei diesen Personengruppen noch kein Vermögensschaden eingetreten sein.
Zusammenfassend ist vorab festzuhalten, dass der Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB bei einer Beeinträchtigung des Erblassers zu Lebzeiten kaum einen Vermögensschaden der übergangenen Erben und damit in der Regel keine Strafbarkeit begründen kann.
Anders stellt sich der Fall dar, wenn der Erblasser verstorben und sich der Erbfall ereignet hat. In dieser Situation gibt es eine sehr starke Rechtsstellung des tatsächlichen Erben. Wird diese durch einen Erberschleichenden beeinträchtigt, so kann sich hieraus ein Vermögensschaden ergeben. Betroffen können aber auch andere Personen als der tatsächliche Erbe sein, beispielsweise ein künftiger Nacherbe oder ein Erbersatzanwärter. Diese haben nach dem Erbfall jedenfalls eine sog. Anwartschaft inne, die eine vermögenswerte Rechtsposition darstellt. Auch hier ist ein Vermögensschaden denkbar.
III. Der Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB
Die Untreue ist neben dem Betrug ein sehr wichtiger Straftatbestand, der eine Strafbarkeit nach § 263 StGB gegebenenfalls als Spezialvorschrift sogar ausschließen kann. Untreue wird als vorsätzliche Schädigung eines fremden Vermögens unter Missbrauch einer eingeräumten Vertrauensstellung bezeichnet. Der Tatbestand der Untreue ist sehr schwierig zu prüfen, sodass wir dem Leser nur einzelne wichtige Bausteine im Rahmen des § 266 StGB an die Hand geben möchten.
Die Verletzung der sog. Vermögensbetreuungspflicht ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit im Rahmen des § 266 StGB. Eine Verletzungshandlung kann sich aus zwei Alternativen ergeben:
(1) dem Missbrauch einer Vertretungs- oder Verfügungsbefugnis oder
(2) der Verletzung einer rechtlich oder tatsächlich begründeten Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen.
Beide Varianten der Untreue werden nachfolgend mit Blick auf für die Erberschleichung relevanten Sachverhalte diskutiert.
So ist zum einen denkbar, dass sich ein Erbschaftsbesitzer dann wegen eines Treuebruchs der Untreue strafbar macht, wenn er den Nachlass vorsätzlich beeinträchtigt, indem er beispielsweise dem Erben Nachlassgegenstände verheimlicht und dessen Herausgabeverlangen verhindert.
Auch ein Testamentsvollstrecker kann sich der Untreue strafbar machen. Ein in der Rechtsprechung diskutierter Fall betraf die Situation, dass ein solcher Testamentsvollstrecker Geld aus dem Nachlass in hochspekulative Anlagen investiert hatte. In einem solchen Fall mag eine Strafbarkeit vorliegen, wenn der Umfang des eingesetzten Geldes eine bestimmte Grenze, in der Literatur werden 10% vorgeschlagen, überschreitet.
Untreue kommt auch im Bereich der Nachlasspflegschaft (§§ 1960 ff. BGB) in Betracht. Die Nachlasspflegschaft ist eine Maßnahme, die der Sicherung des Nachlasses dient, beispielsweise wenn die Erben kurzfristig nicht ermittelt werden können. Der Nachlasspfleger ist durch gesetzliche Vorschriften gebunden. Soweit er diese Normen verletzt, kann eine Untreue angenommen werden, wobei auch diese Situationen vom Einzelfall abhängig sind.
IV. Der Straftatbestand der Unterschlagung gemäß § 246 StGB
Bei diesem Straftatbestand geht es darum, dass das Eigentum des Betroffenen beeinträchtigt wird. Auch hier gibt es mehrere Varianten. Die Relevanz für die Fälle des Erberschleichens soll nachfolgend kurz dargestellt werden.
Typisches Beispiel ist der Fall, dass der Erblasser einem Dritten bzw. dem Erberschleichenden einen Vermögensgegenstand (nur) zur Aufbewahrung überlässt und dieser Dritte nach dem Tod des Erblassers den Gegenstand aus dem Nachlass zu seinen Gunsten veräußert (beispielsweise ein KFZ, Schmuck oder ein wertvolles Gemälde).
Ein weiterer Fall der Unterschlagung mag in Gestalt des Unterlassens darin liegen, dass der tatsächliche Erbe Dritte nach dem Verbleib von Nachlassgegenständen befragt und diese ihm keine Antwort darüber geben, obwohl sie sich im Besitz von Nachlassgegenständen befinden. Beide Beispiele zeigen, dass § 246 StGB im Bereich der Erberschleichung durchaus eine Rolle spielen kann.
V. Die Straftatbestände der Urkundendelikte gemäß §§ 267 ff. StGB
Im Bereich der §§ 267 ff. StGB gibt es ebenfalls mehrere Sachverhalte, die für die Erberschleichung relevant sein können. Es gibt vor allem zwei Situationen die besonders praxisnah sind.
Wir können uns gut vorstellen, dass in vielen Fällen Testamente einfach gefälscht werden, sodass ein klarer Fall der Urkundenfälschung vorliegt, wenn beispielsweise der Begünstigte ein Testament zu seinen Gunsten ausfertigt. Problematisch ist aber jedenfalls der Fall, dass der Erberschleichende den Text eines gewünschten Testaments vorfertigt und den Erblasser diesen Text unterzeichnen lässt. Soll damit der Anschein erweckt werden, es handele sich um ein echtes Testament, so wird dieser Fall aber nach überwiegender Auffassung in der Literatur als bloße schriftliche Lüge gemäß § 267 StGB straflos bleiben.
Eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 Abs.1 StGB ist dennoch möglich. Unabhängig hiervon sind auch Fälle der sog. Urkundenunterdrückung nach § 274 StGB wichtig, die auch die Situation erfassen, in der ein Erberschleichender ein ihm ungünstiges Testament vernichtet. Das kann deshalb für ihn vorteilhaft sein, wenn dadurch sein gesetzliches Erbrecht wieder auflebt oder er hierdurch einem ihn begünstigendes Testament den Vorrang einräumt.
VI. Zusammenfassung
Die obigen Ausführungen haben bestätigt, dass es nur in bestimmten Situationen strafrechtliche Mittel gegen Erberschleichung gibt. Die Diskussion in diesem Bereich beschränkt sich vor allem auf den Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB, was auch durch die nachfolgend dargestellte Beispiele aus der juristischen Literatur und Rechtsprechung belegt wird.
Hauptfall der strafrechtlich relevanten Erberschleichung ist der Betrug!
So behandelt Schroeder (Erberschleichung als Betrug, NStZ 1997, S.585) typische Sachverhalte der Erberschleichung, indem er eine Begünstigung mittels Erbeinsetzung oder Vermächtnis darauf zurückführt, dass dem Erblasser Versprechungen gemacht werden, beispielsweise bezüglich der Grabpflege, der Sorge für Hinterbliebene oder Haustiere, der Fortführung von Anliegen des Erblassers, aber auch mit Blick auf eine Ehe. Auch ist es denkbar, dass der Erberschleichende die bisherigen Erben bei dem Betroffenen verleumdet oder schlecht macht. Dabei sieht es Schroeder als kritisch an, ob überhaupt vor dem Tod des Erblassers von einer Vermögensverfügung und einem Vermögensschaden gesprochen werden kann, da der Betroffene in der Regel nicht an seine letztwillige Verfügung von Todes wegen gebunden ist, jedenfalls aber die bisherigen Erben keine gesicherte Rechtsposition mit Blick auf das Erbe haben. Schroeder hält aber jedenfalls den Fall für strafbar, indem ein Erberschleichender seine Begünstigung mittels Täuschung erreicht und den Erblasser dann durch eine weitere Täuschung zur Selbsttötung (beispielsweise durch Verabreichung einer vergifteten Speise) veranlasst.
Den beiden Grundproblemen der Vermögensverfügung und des Vermögensschadens widmet sich auch Jünemann (Erberschleichung als Betrug?, NStZ 1998, S.393). Er arbeitet insbesondere betrugsrelevante Sachverhalte heraus, die mit einer Täuschung nach dem Erbfall zutun haben. Insbesondere sind Fälle gemeint, in denen der Erberschleichende einen (Mit)Erben zur Ausschlagung veranlasst oder zu einer anderweitigen Reaktion bringt, die zu einer erbrechtlichen Schlechterstellung führt.
In diesem Zusammenhang prüfen auch Brand/Fett (Erberschleichung und Betrug, JA 2000, S.211) die oben dargestellten Sachverhalte. Unabhängig von einer Strafbarkeit gemäß §§ 267 ff. StGB abhängig vom Einzelfall gelangen sie mit Blick auf den Straftatbestand des § 263 StGB zu einer Straflosigkeit der Erberschleichung.
Dieses Ergebnis stimmt im übrigen mit der Entscheidung des OLG Stuttgart (NStZ 1999, S.622) überein. Das Gericht hat mit Blick auf eine Prüfung der §§ 263, 266 StGB festgestellt, dass alleine die Erbaussichten gesetzlicher oder testamentarisch eingesetzter Erben zu Lebzeiten des Erblassers keine im Rahmen dieser Straftatbestände geschützte Rechtsposition darstellen. Der dort zu entscheidende Sachverhalt stellte sich wie folgt dar.
Der Begünstigte war als in einer verantwortlichen Position in einem Landratsamt tätig und insoweit Sachbearbeiter in Gebrechlichkeitspflegschaften. Obwohl ab 1984 kein weiteres wirtschaftliches Bedürfnis für eine Pflegschaft mehr bestand, wurde der Betroffene weiterhin durch den Begünstigten beaufsichtigt. In 1985 brachte dieser DM 40.000,00 aus dem Vermögen des Betroffenen an sich. In 1999 gelang es dem Begünstigten, durch einen Sparbrief weitere DM 55.000,00 zu erhalten. In der Folgezeit beeinträchtigte der Begünstigte den Betroffenen weiterhin. Das OLG Stuttgart hat die erstinstanzlich festgestellte Strafbarkeit wegen Untreue und Urkundenfälschung bestätigt.
E. Zivilrechtliche Mittel gegen Erberschleichung
I. Einleitender Überblick
Eine Erberschleichung kann man unabhängig von strafrechtlichen Mitteln insbesondere dadurch nachträglich angreifen, indem man eine Unwirksamkeit der begünstigenden Handlung (Schenkung zu Lebzeiten bzw. letztwillige Verfügung von Todes wegen) darstellt. Grundsätzlich mag gelten, dass dort, wo eine strafrechtliche Handhabe greift, auch eine zivilrechtliche Möglichkeit alternativ besteht.
Versuchen Sie das begünstigende Rechtsgeschäft zu Fall zu bringen!
Das Zivilrecht kennt hierfür insbesondere die Möglichkeit der sog. Einwendung, die letztlich einen besonderen Unwirksamkeitsgrund darstellt. Die Verfasser geben dem Lesen nachfolgend einen Überblick über Einwendungen, die wir in Bezug auf Fälle der Erberschleichung für relevant halten:
(1) Der Unwirksamkeitsgrund der Geschäftsunfähigkeit
(2) Der Unwirksamkeitsgrund des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot
(3) Der Unwirksamkeitsgrund einer Anfechtung nach erbrechtlichen Regeln
(4) Der Unwirksamkeitsgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten
Unabhängig hiervon gibt es daneben noch weitere Möglichkeiten, gegen eine Erberschleichung zivilrechtlich vorzugehen. Hierfür geben wir zwei Beispiele und zwar einmal in Gestalt eines Schadenersatzanspruchs, der letztlich eine ähnliche Wirkung entfaltet, wie die oben genannten Einwendungen. Andererseits kann einer Erberschleichung auch präventiv begegnet werden, was wir durch einen Ausflug in den Bereich der Vorsorgevollmacht und der Betreuung darstellen.
Prüfen Sie bereits jetzt, wie Sie ein späteren Erberschleichung im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis begegnen können!
II. Der Nachweis einer Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 Nr.2 BGB
Versucht ein Erberschleichender auf einen Betroffenen einzuwirken, so kann diese Beeinträchtigung gegebenenfalls dadurch eingeschränkt werden, indem eine Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen festgestellt wird. Dann ist es für ihn nur noch schwer möglich, rechtsgeschäftlich aufzutreten, sodass auch die Einflussnahme durch den Erberschleichenden stark begrenzt wird. Eine Schenkung bzw. letztwillige Verfügung von Todes wegen kann hierdurch verhindert werden. Auch bereits durchgeführte Rechtsgeschäfte, beispielsweise Schenkungen, können mit diesem Argument angegriffen werden.
Eine Geschäftsunfähigkeit kann häufig dann angenommen werden, wenn eine schwere Demenz des Betroffenen vorliegt. Die Beurteilung, ob eine Demenz vorliegt oder vorlag, die zu einer Geschäfts- bzw. Testierunfähigkeit führt, ist in der Praxis sehr schwierig. Problematisch sind diese Fälle auch deswegen, weil es unterschiedliche Arten der Demenz gibt. Bezeichnend für das Krankheitsbild ist, dass der kognitive Abbauprozess unterschiedlich verläuft. An Demenz erkrankte Menschen können Informationen nicht mehr ausreichend verarbeiten und wiedergeben.
Eine fortlaufende, schriftliche Dokumentation des Krankheitsverlaufs ist für einen Prozess mit Blick auf die angestrebte Nichtigkeitserklärung beispielsweise eines Testaments selten geführt. Zeugenaussagen sind als Ersatz oftmals sinnlos, da sie sich aufgrund der widerstreitenden Interessenlagen, falls auch Zeugen der Gegenseite bei Gericht gehört werden, gegenseitig widersprechen und damit aufheben.
Geschäftsunfähigkeit kann nur dann im Gerichtsverfahren nachgewiesen werden, wenn hierfür ausreichend Aufzeichnungen und Zeugen vorhanden sind!
Auch die oftmals als Zeugen geladenen praktischen Ärzte oder Notare sind in der Regel ungeeignet, da sie meist im psychiatrischen Bereich nicht erfahren sind. Entscheidend ist immer die Gesamtwürdigung des Falles und das Gesamtbild in der betreffenden Zeit der Testamentserrichtung, wobei letztlich nur der Facharzt im Vorfeld oder der gerichtlich bestellte Gutachter eine Einschätzung zur Geschäftsunfähigkeit aufgrund Demenz geben kann.
Auch andere Krankheitsformen können zu einer Geschäftsunfähigkeit führen. Dabei sind insbesondere ältere Menschen betroffen, was letztlich auch auf die steigende Lebenserwartung zurückgeführt werden kann. Zu Beginn des Jahrhunderts waren etwa 5 % aller Menschen in Deutschland über 65 Jahre. Heute sind es schon knapp 20 % und im Jahre 2030 werden es voraussichtlich 33 % sein. Wegen der gestiegenen Lebenserwartung fallen deshalb auch die psychischen Erkrankungen im Alter prozentual stärker ins Gewicht.
So leiden insgesamt etwa. 28 % aller Menschen über 65 Jahre an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Eine solche Erkrankung kann gegebenenfalls zum Ausschluss der Geschäftsfähigkeit führen. Davon entfallen
(1) auf leichte bis mittelschwere Demenzen etwa 5 %,
(2) auf mittelschwere bis schwere Demenzprozesse etwa 7 %,
(3) auf mittel- bis schwere depressive Syndrome etwa 2 %,
(4) auf leichte Depressionen bzw. psychoreaktive Störungen etwa 10 %,
(5) auf Schizophrenien und paranoide Syndrome etwa 1 % und
(6) auf Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit etwa 2,5 %.
Prüfen Sie, ob der Betroffene in eine dieser Risikogruppen fällt!
Etwa 18 Milliarden Euro muss die Bundesrepublik Deutschland für die Behandlung derartiger psychischer Störungen ausgeben. Das sind etwa 11 % aller Kosten, die für medizinische Behandlungen ausgegeben werden. Die häufigsten Krankheitsbilder werden im folgenden weiter erklärt.
Bei einer Demenz kommt es zu einer Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, sowie des abstrakten Denkens, der Urteilsfähigkeit oder Persönlichkeitsveränderungen, die das tägliche Leben der Betroffenen nachhaltig einschränken. Hinzu treten häufig Veränderungen der jeweiligen Grundstimmung auf (beispielsweise Euphorie) oder Wahnstörungen. An Demenz erkrankte Personen versuchen häufig, Gedächtnislücken zu überspielen oder hierfür Dritte verantwortlich zu machen.
Auch eine Depression kommt häufig vor. Meist geht eine körperliche Erkrankung oder der Verlust eines Mitmenschen voraus. Folgen sind die Erstarrtheit des Betroffenen, die Neigung zu Ängstlichkeit. Häufig erkennt man körperliche Beschwerden, aber zugleich einen depressiven Wahn und selbst zerstörerische Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Verweigerung der Nahrungsaufnahme.
Demenz und Depression sind Hauptrisiken für Erberschleichung!
Demenz und Depression dürfen insoweit aber nicht verwechselt werden. Man unterscheidet beide Krankheitsbilder wie folgt:
(1) Bei einer Depression klagt der Betroffene über Leistungseinbußen (beispielsweise Gedächtnisverlust), während das bei einer Demenz bagatellisiert bzw. kompensiert wird.
(2) Bei einer Depression entstehen Schuldgefühle und Versagensangst, wohingegen der Betroffene bei der Demenz andere beschuldigt.
(3) Bei einer Depression leidet der Betroffene an Schlaflosigkeit ohne nächtliche Unruhe, während der Betroffene bei der Demenz unter deutlicher, nächtlicher Unruhe leidet.
(4) Im Gegensatz zur Depression ist bei der Demenz eine Desorientiertheit feststellbar.
(5) Bei der Depression findet eine Selbstabwertung statt, wohingegen die Demenz zu einer Selbstüberschätzung führen kann.
Es gibt natürlich noch zahlreiche andere Krankheitsbilder, die beispielsweise eine Isolation des Betroffenen oder gar eine sog. Vermüllung herbeiführen. Häufig verstärken sich auch ursprüngliche Charaktereigenschaften im Alter und führen zu einer Ablehnung durch die Mitmenschen.
Je älter ein Betroffener ist, desto größerer ist das Risiko einer Erberschleichung!
Diese in der Regel psychischen Störungen sind häufig darauf zurückzuführen, dass im höheren Lebensalter ein erhöhtes Krankheitsrisiko besteht und eine verlängerte Krankheitsdauer zu erwarten ist. Ebenso gibt es mit einem höheren Lebensalters auch öfter Verlustsituationen, mit denen Menschen zurecht kommen müssen, insbesondere
(1) der Verlust der körperlichen Unversehrtheit (beispielsweise der Verlust der Sehkraft),
(2) der Austritt aus dem Berufsleben (der sog. Ruhestand und die damit verbundenen sozialen Veränderungen stehen in engem Zusammenhang mit einer möglichen Erkrankung, da damit ein Rollen- bzw. Statusverlust einhergeht),
(3) der Verlust von Bezugspersonen
(4) und der Verlust von Zielvorstellungen und Zukunftserwartungen.
III. Der Nachweis einer Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB
Die Vorschrift des § 134 BGB bewirkt dann die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts bzw. insbesondere einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen, wenn die konkret betroffene Willenserklärung im Rahmen des Rechtsgeschäfts gegen ein Verbotsgesetz verstößt. Indem sich Betroffene auf diese Regelung berufen, kann dem Einfluss eines Erberschleichenden entgegnet werden.
Erberschleichung kann gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen!
Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, dass gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nicht ein anderes ergibt. Unter Rechtsgeschäft kann man auch eine Handlung verstehen, die dazu dient, eine Person mit Vermögensgegenständen oder dem gesamten Vermögen zu begünstigen. Damit sind viele Fälle der Erberschleichung erfasst.
Unter § 134 BGB fallen Gesetze aus verschiedenen Rechtsquellen und Gesetzestexten, die Rechtshandlungen, die auch eine Erberschleichung darstellen können, verbieten.
Das gilt insbesondere für nachfolgende Beispielsfälle:
(1) § 10 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT)
(2) § 70 Bundesbeamtengesetz
(3) § 43 Bundesrechtsrahmengesetz
Nach diesen Bestimmungen dürfen Angestellte bzw. Beamte Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf ihre dienstliche Tätigkeit nur mit Zustimmung des Arbeitgebers oder Vorgesetzten annehmen. Erberschleichende im Bereich der gesundheitlichen Versorgung, also insbesondere Krankenschwestern oder Ärzte, die in einem staatlichen Krankenhaus arbeiten, sind meist Angestellte des öffentlichen Dienstes, wodurch für sie § 10 BAT als Verbotsnorm gilt. Anhand dieser Vorschriften soll eine unbestechliche, uneigennützige Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung gewährleistet werden. Allerdings können die genannten Vorschriften leicht umgangen werden.
Im staatlichen Bereich gibt es Regelungen, die Erberschleichung einschränken sollen!
In einem Fall in Ingolstadt haben wir erlebt, dass die Vorteile in Gestalt von Schenkungen an die Frau und Tochter des Arztes gemacht wurden. Letztendlich sind damit die Umgehungsmöglichkeiten sehr einfach, zumal das Hauptproblem nach Ansicht der Verfasser ohnehin im Bereich der privaten Pflegekräfte liegt, so dass das Verbot der dargestellten Bestimmungen sich nur relativ gering auswirkt. Die vorgenannten Bestimmungen sind natürlich auch wichtig für die staatlichen Altenpflegeeinrichtungen und in diesem Zusammenhang insbesondere für Verfügungen von Todes wegen, die das dort beschäftigte Personal betreffen.
Das Heimgesetz soll in Pflegeheimen Betroffene vor einer Erberschleichung durch das Personal schützen!
§ 14 Heimgesetz hat insoweit den gleichen Regelungsinhalt wie die § 10 BAT, § 70 BGB und § 43 Bundesrechtsrahmengesetz. Es handelt sich dabei um ein Schutzgesetz, dass dem Heimpersonal die Annahme von Vermögensvorteilen untersagt. Die Rechtsfolge einer Annahme des Vermögensvorteils unter Verstoß gegen diese Bestimmung führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB.
Es gibt insbesondere bezüglich des Heimgesetzes aber viele Problemfälle. So ist das Heimgesetz dem Tatbestand nach nicht auf eine private Heimpflege ohne Betriebsgenehmigung anwendbar. Andererseits sind schon Kleinstunternehmen von dem Verbot erfasst, nicht allerdings die familiäre oder private Pflege. Allerdings kann ein mit einem Pflegevertrag gekoppelter Erbvertrag gemäß § 4 Abs.3 HeimG, § 134 BGB bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Entgelt unwirksam sein.
Die Rechtsprechung versucht in diesem Zusammenhang die Verbotsvorschrift des § 14 HeimG auch extensiv auszulegen und zu erweitern. Das Verbot gilt zwar nicht im Verhältnis zwischen Betreuer und Betreuten, allerdings auch für Zuwendungen an Kinder des Heimleiters, an den Geschäftsführer des Heims und an die Ehefrau eines Heimbediensteten. § 14 HeimG bezieht sich auch auf Verfügungen, die vor Aufnahme in das Heim getroffen werden oder von Eltern der Heimbewohner getätigt werden.
Als Zwischenergebnis ist insbesondere mit Blick auf das HeimG festzuhalten, dass das mit dieser Norm einhergehende Regelungsbedürfnis die tatsächliche Erberschleichungssituation im Pflegebereich bestätigt. Deshalb soll der Regelungsumfang des HeimG nochmals gesondert zusammengefasst werden.
Pflegeeinrichtungen finden immer neue Wege um den Schutz des Heimgesetzes zu umgehen!
§ 14 Abs.1 HeimG untersagt Heimträgern sich über das im Heimvertrag vereinbarte Entgelt hinaus Geld oder geldwerte Leistungen von Heimbewohnern versprechen zu lassen. Solche Zuwendungen können als Spende, Erbschaft oder in Form einer Zustiftung gemacht werden und sind deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 14 Abs.1 HeimG erfüllt sind. Diese Vorschrift soll die ungleiche Behandlung der Heimbewohner auf Grund von Zuwendungsversprechen verhindern. Zugleich sollen die Heimbewohner vor einer finanziellen und wirtschaftlichen Ausnutzung geschützt werden. Die Testierfreiheit wird gesichert.
IV. Die Testamentsanfechtung wegen Drohung gemäß § 2078 Abs.2 Alt.2 BGB
Wird der Testierende widerrechtlich bedroht, ist eine Testamentsanfechtung in Betracht zu ziehen (§ 2078 Abs.2 Alt.2 BGB). Ständig können so zahlreiche Erberschleichungsfälle über § 2078 BGB gelöst werden. Unter § 2078 Abs.2 Alt.2 BGB fallen zwar nicht die Fälle der Ausnutzung einer seelischen Zwangslage, aber jedenfalls die in der Praxis bekannt gewordenen Fälle des totalen Liebesentzugs oder besser gesagt des Entzugs der Fürsorge. Diese Situation kommt sehr häufig vor.
In der Praxis sind viele Fälle bekannt geworden, in denen Pflegepersonen sich als Erberschleichende profilierten, indem sie dem Betroffenen damit drohten, dass sie ihn nicht mehr pflegen werden. Gerade der oftmals monate- oder jahrelang aufgebaute Kontakt zu der pflegebedürftigen Person führt zu einer enormen Abhängigkeit derselben und letztendlich zu einer Zwangslage, wenn der Betroffene allein auf sich gestellt ist und nicht weiß, wie er sonst gepflegt werden kann. Die zur Anfechtung berechtigende Drohung kann verdeckt oder durch schlüssiges Verhalten des Pflegers erfolgen.
Eine Beeinträchtigung des Erblasserwillens kann zur Anfechtung eines Testaments berechtigen!
Hierunter fallen sicherlich die Fälle, bei denen der Pfleger erklärt, dass er den in Hilflosigkeit befindlichen Erblasser nicht mehr weiter pflegen wird, wenn das ihn begünstigende Testament nicht errichtet wird. In diesem Zusammenhang gab es ehemals sogar den § 48 Abs.3 des Testamentsgesetzes, der bestimmte, dass eine Testamentserrichtung, die in Todesnot erfolgte, dann nichtig ist, wenn sie unter Ausnutzung der Pflichten der Religionsdiener am Sterbebett erfolgt war. Gemeint waren hier Seelsorger, die am Sterbebett die Furcht vor dem Jenseits aufbauten, um den Zugriff ihrer Kirche auf das Vermögen des Betroffenen zu erhalten. Die Bestimmung wurde leider ersatzlos gestrichen, da im deutschen Bundestag die Meinung aufkam, dass man nicht weiter Religionsdiener diesbezüglich verdächtigen sollte.
Die alte gesetzliche Regelung zeigt, dass Erberschleichung von Seelsorgern in der Vergangenheit, aber auch gegenwärtig vorkommt!
Die unter § 2078 Abs.2 Alt.2 BGB fallenden Fälle sind in der Praxis häufiger, als tatsächlich bekannt wird. Es gibt eine hohe Dunkelziffer. Ein Fall ist an die Öffentlichkeit gelangt, in dem der Pflegedienst drohte, dass wenn kein begünstigendes Testament errichtet wird, ein Antrag auf Betreuung gestellt werden soll und der Erblasser in ein Pflegeheim kommen wird, das weit weg von seinem Heimatort liegt, wodurch er seine letzten persönlichen Kontakte verlieren würde.
Bekannt geworden ist in der Praxis auch der Fall einer schwangeren Ehefrau, die einen Selbstmordversuch vortäuschte, um ihren Ehemann zum Abschluss eines für ihn nachteiligen Ehe- und Erbvertrags zu veranlassen (BGH in FamRZ 1996, Seite 605). Der Bundesgerichtshof hat diese Drohung als für eine Anfechtung nicht ausreichend angesehen, weil sie nur objektiv erfolgt ist und nicht klar war, ob der Ehemann diese Drohung überhaupt als Drohung aufgefasst hat. Der Bundesgerichtshof äußerte sich zu diesem Fall dahingehend, dass das Vorliegen einer seelischen Zwangslage und die Ausnutzung dieser Zwangslage für die Anfechtung wegen Drohung nach § 2078 Abs.2 Alt.2 BGB nicht ausreichen würde.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass es unerheblich ist, von wem die Drohung ausgeht. Die Drohung kann derjenige veranlassen, der im Testament bedacht wird oder auch ein Dritter. Gerade die Drohung durch eine Pflegeperson, den Betroffenen im Krankenhaus sterben zu lassen, falls er nicht die gewünschte testamentarische Verfügung zugunsten einer Pflegeeinrichtung trifft, ist praxisrelevant.
V. Die Testamentsanfechtung wegen Täuschung gemäß § 2078 Abs.2 Alt.2, 123 Abs.1 BGB
Ist der Erblasser zu der letztwilligen Verfügung von Todes wegen durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden, so kann das Testament auch nach § 2078 Abs.2 Alt.1, 123 Abs.1 BGB angefochten werden. Voraussetzung für diese Anfechtung ist, dass die Täuschung durch das Entstehen eines vorgespiegelten Tatsachenbildes verursacht worden ist. Hier zeigt sich eine Parallele zu § 263 StGB.
Auch eine Täuschung berechtigt zur Anfechtung eines Testaments!
Von der Rechtsprechung sind einige Möglichkeiten erwähnt und entschieden worden. Am wichtigsten dürfte der Grund sein, dass der Erblasser das Testament in der Erwartung des künftigen Wohlverhaltens des Erben gegenüber dem Erblasser errichtet hat. Tritt das nicht ein, was gerade im Bereich der Erberschleichung fast immer der Fall ist, ergibt sich hieraus unter Umständen ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 2078 Abs.2 Alt.2, 123 Abs.1 BGB und zwar insbesondere dann, wenn der Erberschleichende eine Täuschung vorgenommen hat. Die irrige Erwartung des Umstandes muss sich also nicht auf Tatbestände in der Vergangenheit beziehen, sondern kann auch Tatsachen der Gegenwart oder Zukunft betreffen.
Der Umstand kann also sogar nach dem Erbfall liegen (BGH in BB 1966, Seite 379, BGH in FamRZ 1977, Seite 786). Die besondere Problematik dieses Anfechtungsgrundes liegt allerdings in der Beweislage. Derjenige, der sich auf den Irrtum beruft, muss beweisen, dass der Erblasser den Erberschleichenden nur deswegen im Rahmen des Testaments begünstigt hat, weil er sich von der Person andere Handlungsweisen oder Eigenschaften erwartet hat, als sie letztendlich wirklich eingetreten sind und das zusätzlich auf einer Täuschung des Begünstigten beruht.
VI. Die Testamentsanfechtung wegen Motivirrtum gemäß § 2078 Abs.2 Alt.1 BGB
Unabhängig von den oben dargestellten Anfechtungsgründen gelten auch die generellen Regelungen der §§ 119, 123 BGB. Im erbrechtlichen Bereich ist aber § 2078 Abs.2 Alt.1 BGB noch in einer anderen Variante sehr wichtig und zwar, wenn ein sog. Motivirrtum des Erblassers vorliegt.
Nirgends im Zivilrecht wird der Wille eines Betroffenen so stark berücksichtigt, wie im Erbrecht!
Im normalen Zivilrecht würde ein bloßer Motivirrtum nicht zu einer Anfechtung berechtigen, weil hierdurch der Vertragspartner stark benachteiligt werden würde. Im Erbrecht hat aber der Erblasserwille absoluten Vorrang, sodass die Anfechtung sehr weit zugelassen wird. Deshalb kommt es auch hier ganz besonders darauf an, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln und insbesondere im Prozess nachzuweisen. Gelingt das und zeigt sich eine Divergenz im Verhältnis zwischen letztwilliger Verfügung von Todes wegen und dem tatsächlichen Sachverhalt, so kann die Begünstigung des Erberschleichenden gegebenenfalls hierdurch angegriffen werden.
Es ist bei einem Motivirrtum zu prüfen, ob die Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts den Erblasser mit Sicherheit dazu gebracht hätte, anders zu testieren. Es geht entweder um die Annahme eines Umstands der Vergangenheit oder Gegenwart oder um die Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts in der Zukunft, beispielsweise ein unerwarteter Vermögenserwerb des Erblassers.
Fragen Sie sich, was der Erblasser getan hätte, wenn er richtig informiert gewesen wäre!
VII. Der Nachweis einer Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB
Eine wichtige Bestimmung für die Prüfung von Fällen der Erberschleichung ist § 138 BGB. § 138 BGB enthält folgende Formulierungen:
„Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, eines Mangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligem Missverhältnis zur Leistung stehen. § 138 BGB ist letztendlich der Ordnungshüter des Deutschen Rechts.
Auch Erberschleichung kann sittenwidrig sein!
Auf der einen Seite haben wir die Privatautonomie, die im Grundgesetz verankerte Freiheit, Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen frei tätigen zu können. Auf der anderen Seite gibt es den besonders in § 138 BGB für Rechtsgeschäfte niedergelegten Gedanken, dass nur Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen wirksam sind, wenn sie nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Die Entscheidungsfreiheit eines Menschen rechtlich zu handeln, endet also dort, wo diese Handlungsweise zu sittenwidrigen Geschäften führt.
Durch diese Bestimmung soll der Einzelne, der oftmals eine Sittenwidrigkeit nicht erkennt, vor sich selbst geschützt werden. Jedweder Rechtshandlung wird mit einer derartigen Bestimmung eine Grenze gesetzt. Die Grenze ist unsere Rechts- und Sittenordnung. Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dieser Satz zieht sich durch die Literatur und durch die Rechtsprechung wie ein roter Faden (RG in RGZ 80, 221, BGH in BGHZ 10, 232, BGH in BGHZ 69, 297).
Schwierig ist es, dem Laien mit Blick auf diese unbestimmte Formulierung zu erklären, was unter Sittenwidrigkeit zu verstehen ist. Der Rechtsbegriff der guten Sitten ist dehnbar und wird natürlich auch dem jeweiligem gesellschaftlichen Hintergrund anzupassen sein. Entscheidend ist immer die aktuelle Sozialmoral, sowie der Einzelfall. Natürlich muss in diesem Zusammenhang gerade auf Erberschleichungsfälle Bezug genommen werden, da das Umfeld einer Testamentserrichtung ein besonders fragiles Gebilde ist.
Entscheidend für Sittenwidrigkeit ist, ob die Allgemeinheit eine Benachteiligung des Betroffenen als verwerflich ansieht!
Insbesondere ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann eine Sittenwidrigkeit begründen, beispielsweise bei einen Testament, in dem geringfügige Leistungen durch den Begünstigten erwähnt werden und dem dafür ein riesiges Erbe vermacht wird. Unter § 138 BGB fallen natürlich auch die Fälle, in denen das mangelnde Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche ausgenutzt wird. Die Rechtsprechung weist hier gerade auf die Probleme bei alten Menschen hin. Ein krankhafter Zustand ist hierfür nicht erforderlich (BGH in NJW-RR 1887, Seite 764).
Die Rechtsprechung hat hier beispielsweise einen Fall entschieden, dass eine Testamentseinsetzung unter der Bedingung erfolgte, dass der Erbe sich von seiner untreuen Ehefrau scheiden lässt. Der Angriff im Wege des § 138 BGB war aber genauso wenig erfolgreich, wie der Angriff eines Testaments, in dem der Freund als Alleinerbe eingesetzt wurde und die Ehefrau, sowie das Kind dadurch enterbt wurden (Bayerisches Oberlandesgericht in NJW 1987, Seite 910).
Eine weitere wichtige Entscheidung hat das Bayerische Oberlandesgericht zur Sittenwidrigkeit von Testamenten gefällt. Nach der Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts (FamRZ 1985, Seite 1082) kann ein Testament nur dann sittenwidrig und deshalb unwirksam sein, wenn in der letzten Verfügung selbst eine unredliche und deshalb verwerfliche Gesinnung des Erblassers zum Ausdruck kommt. Es könne aber keinesfalls ein Testament wegen eines sittenwidrigen Handelns Dritter nichtig sein, weil dieser sittenwidrige Inhalt nicht der Willenserklärung selbst anhaftet, die Bestandteile des Rechtsgeschäfts im Sinne des § 138 BGB sind.
Unter § 138 BGB dürften aber immer die Fälle fallen, in denen Druck auf den Erblasser ausgeübt wurde und dieser in Folge einer Krankheit oder einer psychischen Situation seinen Willen nicht mehr äußern konnte, also willensschwach bzw. leicht beeinflussbar war. Die Fälle, die hierunter fallen sind die, in denen absichtlich der Hass gegen die potenziellen Erben geschürt wird, um an die Erbschaft zu gelangen.
Nicht jede Benachteiligung im Rahmen einer Erberschleichung ist sittenwidrig!
Wichtig ist, dass gerade bei letztwilligen Verfügungen von Todes wegen für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung, nicht die des Erbfalls maßgeblich sind. Führt dagegen eine ursprünglich sittlich unbedenkliche Verfügung von Todes wegen aufgrund einer grundlegenden Veränderung des Sachverhalts zu sittenwidrigen Auswirkungen, so kann dieser Verfügung gegebenenfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden.
Ein gutes Beispiel für den Wandel der Sozialmoral ist das sog. Mätressentestament, das auch den Bereich der Erberschleichung berühren kann. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde eine letztwillige Verfügung von Todes wegen dann als sittenwidrig eingestuft, wenn ein Erblasser seine Mätresse, also kurzzeitige Geliebte als Erbin einsetzte. Natürlich kann damit auch eine Erberschleichende gemeint sein. Heute hat sich die gesellschaftliche Bewertung dieser Situation gewandelt und eine Mätresse muss grundsätzlich nicht hinter der gegebenenfalls hintergangenen Ehefrau zurückstehen.
Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit unterliegt dem Wandel der gesellschaftlichen Moralvorstellungen!
VIII. Der Schadenersatzanspruch gemäß § 826 BGB
§ 826 BGB besagt folgendes:
„Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“
Unter § 826 BGB wird ein Verhalten subsumiert, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, indem der Betroffene vorsätzlich geschädigt werden soll. Hier wird die Nähe zu § 138 BGB erkennbar. Gerade bei Erberschleichungsfällen dürfte § 826 BGB oft einschlägig sein.
Hierunter können beispielsweise die Fälle subsumiert werden, wenn der Erblasser noch der Testamentserrichtung nach einem Angehörigen fragt und der Erbschleicher ihm vorspiegelt, dass die Angehörigen keinen Kontakt zu ihm wünschen. Der Betroffene wird dann dazu geneigt sein, eher den Erberschleichenden zu begünstigen. Oft hat dieser Erberschleichende den Angehörigen aber auch ein Haus- und Besuchsverbot erteilt und Telefongespräche nicht durchgelassen bzw. Briefe an den Erblasser vernichtet, sodass dieses Vorstellungsbild wissentlich und wahrheitswidrig gefördert wird. Der Erberschleichende nützt in derartigen Fällen seine Stellung als Vertrauter oder Pflegeperson aus.
Im Ausland gibt es konsequenterweise gesetzliche Regelungen die prinzipiell die Erbeinsetzung von sog. Berufshelfern verbieten, zum Beispiel in Holland oder in Frankreich, um gerade solche Fälle zu vermeiden.
Wir fordern, dass sich der deutsche Gesetzgeber mit Blick auf die Erberschleichung auch an ausländischen Regelungen orientiert!
In Deutschland gibt es eine entsprechende gesetzliche Regelung nur bezüglich des Notars und dessen nächsten Angehörigen (§§ 7, 27 Beurkundungsgesetz). Auch das Heimgesetz untersagt zwar entsprechende Verfügungen an Personen, die im Heim arbeiten, einen Betreuer kann man aber beispielsweise durch ein Testament oder einen Erbvertrag als Erben einsetzen, obwohl dieser einen noch engeren Kontakt zu dem jeweiligen Erblasser hat, als vielleicht ein Notar oder ein Heimmitarbeiter.
Nach § 14 Heimgesetz ist es dem Leiter, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern des Heimes untersagt, sich zugunsten von Heimbewohnern oder Bewerbern um einen Heimplatz Geld oder Geldleistungen versprechen zu lassen. Diese Vorschrift wird, soweit den Verfassern bekannt, aber teilweise dadurch umgangen, dass eigene Stiftungen eingerichtet werden, die sodann für die potentielle Erbschaft in Frage kommen.
Diese Regelung aus dem Heimgesetz wollte man 1999 auf die Berufsbetreuer erweitern. Das ist allerdings später im Gesetzgebungsverfahren abgelehnt worden. Der Berufsbetreuer kann also als Erbe eingesetzt werden. Unter Umständen wird allerdings die Erbeinsetzung in diesem Fall über § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung zu Fall gebracht. Fraglich ist allerdings, ob der Betreuer die hierfür gegebenenfalls erforderliche psychische Zwangslage des Betroffenen veranlasst haben muss und ob der Zustand einer Willenlosigkeit wirklich nachgewiesen werden kann.
Unter § 826 BGB kann im Zuge dessen auch der Missbrauch einer Vollmacht durch den Erberschleichenden sein, insbesondere dann, wenn er den Erblasser beeinträchtigende Schenkungen an Dritte oder an sich vornimmt.
Auch mit einem Schadenersatzanspruch kann man gegen eine Erberschleichung vorgehen.
IX. Vorsorgevollmacht und Betreuung als faktische Hindernisse
In gewissem Sinne kann die Erberschleichung auch dadurch verhindert werden, dass für den Fall, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, aus gesundheitlichen Gründen seine Angelegenheiten zu regeln, er eine Vorsorgevollmacht der Person gibt, zu der er besonderes Vertrauen besitzt.
In der Vorsorgevollmacht kann er seine Vermögensverhältnisse, seine ärztliche Versorgung und seinen Aufenthalt regeln. Er kann in der Vorsorgevollmacht untersagen, dass Besuchsverbote ausgesprochen werden. Er kann mehrere Personen als Bevollmächtigte einsetzten, um eine gegenseitige Kontrolle zu erreichen.
Mit der Vorsorgevollmacht verhindert der Betroffene, dass er Gegenstand eines unter Umständen länger andauernden Rechtstreits wird, der erhebliche Kosten verursacht. Durch die Vorsorgevollmacht wird zugleich das gerichtliche Betreuungsverfahren abgewendet.
Die Vorsorgevollmacht sorgt vor und steht einem Betreuungsverfahren entgegen!
Gerade dieses gerichtliche Betreuungsverfahren führt oft zur Beeinträchtigung der Privatsphäre, da ein fremder Dritter als Betreuer sofort in den Wohnbereich des Betroffenen eindringen darf, Vermögenswerte an sich nehmen muss, diese Vermögenswerte verwaltet und über die letzten Monate oder Jahre im Leben des Betroffenen entscheidet, insbesondere welche Kleidung der Betroffene trägt, wie viel Geld ihm zur Verfügung steht und welches Essen er zu sich nehmen kann.
Die Vorsorgevollmacht wird genauso wie die Patientenverfügung, die letztendlich beschränkt nur die medizinische Versorgung regeln soll, begrifflich oft mit der sog. Betreuungsverfügung verwechselt. Es sollen hier nochmals die einzelnen Begriffe dargestellt und gegenüber gestellt werden, wobei darauf hingewiesen wird, dass in vielen anderen Publikationen die Begriffe verwechselt werden.
Es gibt eine Betreuungsverfügung. Mit dieser Betreuungsverfügung nach § 1901a BGB kann jeder Volljährige in Deutschland anordnen, wer im Notfall sein gerichtlicher Betreuer wird. Er verhindert damit nicht das gerichtliche Betreuungsverfahren. Er wirkt aber dagegen, dass eine fremde Person, die er nicht kennt, sein Betreuer wird. Jeder kann sich jetzt schon um einen Betreuer kümmern. Die entsprechenden Anschriften von Betreuern gibt das örtlich zuständige Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) heraus. Der Betroffene kann demnach mit dem Betreuer jetzt schon durchsprechen, was er später will und wie er leben möchte. Für Betreuungsverfügungen muss man nicht geschäftsfähig sein.
Man unterscheidet drei vorsorgende Vollmachten: Vorsorgemollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung!
Alternativ dazu gibt es die Vorsorgevollmacht. Diese Vorsorgevollmacht schaltet das gesamte Betreuungsverfahren aus. Die rechtlichen und tatsächlichen Entscheidungen, die man in den letzten Monaten oder Jahren seines Lebens vornehmen will, übergibt man einer oder mehreren Personen seines Vertrauens. Zu regelnde Bereiche sind meistens die Vermögenssorge, der Aufenthalt und die ärztliche Versorgung. Die Vorsorgevollmacht muss nicht handschriftlich sein. Sie kann auf einem Vordruck erklärt und unterschrieben werden. Empfehlenswert ist es, dass eine weitere Person, am Besten ein Arzt bestätigt, dass die Geschäftsfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt bestand.
Man sollte sich hier viel Zeit nehmen und in Zusätzen formulieren, was man gerne anziehen möchte, wem man gerne etwas schenken will, welche Art von Essen man bevorzugt. Man muss letztendlich seine gesamte Lebensweise nieder legen, damit der Bevollmächtigte über alles Bescheid weiß. Bei nahe stehenden Bevollmächtigten dürfte das relativ einfach sein, weil diese meist aus dem engeren Familien- und Freundschaftskreis kommen und den Vollmachtsgeber kennen.
Je genauer die eigenen Bedürfnisse geregelt werden, desto besser ist das für den Betroffenen!
Auch im Rahmen der Betreuungsverfügung ist es notwendig, solch ausführlichen Hinweise zu geben, weil es sich bei den aufgeführten Betreuern meistens um Personen handelt, die man nicht so gut kennt und diese Personen als spätere Betreuer dennoch über das gesamte Leben des Betroffenen entscheiden können. Insoweit schließen sich eine Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung aber begrifflich aus.
Als Zwischenergebnis ist deshalb folgendes festzuhalten.
Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung sind sog. vorsorgende Vollmachten, die unabhängig vom konkreten Sachverhalt der Erberschleichung entgegen treten und damit für jeden Sinn machen, da sie wichtige Fragen des Lebens, entsprechend dem Willen des Betroffenen regeln. Man kann mit diesen Erklärungen sein weiteres Leben bestimmen und damit zumindest im Ansatz eine spätere Einflussnahme des Erberschleichenden oder einen Missbrauch durch den Vollmachtsnehmers oder Betreuer verhindern. Es gibt aber natürlich auch Probleme in diesem Bereich.
Die Vorsorgevollmacht eignet sich insoweit relativ schlecht zur Absicherung vor Erberschleichung, da der Erberschleichende fast immer in der Lage ist, einen Widerruf der Vorsorgevollmacht zu erreichen. Hiervon zu unterscheiden ist die Patientenverfügung, die letztendlich über die gesundheitliche Versorgung entscheidet und Richtlinien geben soll, wie man in den letzten Stunden seines Lebens, wenn der Sterbevorgang unwiederbringlich eingesetzt hat, behandelt werden will. Das kann nicht so einfach rückgängig gemacht werden. Wichtig ist auch, dass die Erklärungen aufgrund der Einflussnahme eines Dritten dann nicht mehr zurückgenommen werden können, wenn der Betroffene bereits nicht mehr geschäftsfähig ist.
Die Vorsorgevollmacht verhindert in manchen Fällen eine mögliche Erberschleichung.
Bezüglich der Vorsorgevollmacht ist weiter darauf hinzuweisen, dass eine große Anzahl verschiedener Formulare und Vordrucke existiert, die rechtlich nicht hilfreich sind. Vorsorgevollmachten, die damit beginnen: „Für den Fall, dass ich nicht mehr im Besitz meiner geistigen Kräfte bin“ sind nachteilig. Denn zur Feststellung der Wirksamkeit dieser Vollmacht wird letztendlich die Entscheidung durch ein Gericht benötigt, inwieweit der entsprechende Fall eingetreten ist. Gerade diese Rechtsunsicherheit sollte aber vermieden werden. Wie soll beispielsweise ein Bankmitarbeiter, dem man eine derartige Vollmacht vorlegt, wissen, ob diese wirksam ist oder nicht.
Wie wichtig vorsorgende Vollmachten (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung) in der Praxis sind, zeigt unabhängig von der Situation der Erberschleichung die Entscheidung des BGH vom 17.03.2003, AZ XII ZB 2/03.
In diesem Fall hatte ein 72-Jähriger infolge eines Herzinfarkts schwerste und irreversible Gehirnschäden davongetragen und lag demzufolge im Koma. Seit dem Herzinfarkt wurde er mit einer Magensonde ernährt. Der als Betreuer bestellte Sohn verlangte, dass die künstliche Ernährung eingestellt werden sollte, da eine Besserung des Zustands nicht zu erwarten war. Das begründete der Sohn mit einer zwei Jahre alten Patientenverfügung des gesundheitlich geschädigten Vaters, in der die Einstellung der Ernährung für einen solchen Fall angeordnet war.
Der BGH hat festgestellt, dass der Sohn als Betreuer mit Blick auf die beantragte Einstellung der lebensverlängernden Behandlung (der Ernährung) der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Das Vormundschaftsgericht ist deshalb zur Entscheidung berufen, muss sich aber bei Feststellung des Willens des Betroffenen grundsätzlich an eine vorliegenden Patientenverfügung halten. Das grundgesetzlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen schützt diesen, sodass sein Patientenverfügung zu beachten ist. Das gilt auch dann, wenn in dieser die Einstellung lebensverlängernder Maßnahmen verlangt wird. Zugleich ist der Betreuer ein diesen Inhalt der Betreuungsverfügung gebunden.
F. Wirtschaftliche und rechtliche Möglichkeiten für Erberschleichende
I. Einleitender Überblick
Der Erberschleichende hat vielgestaltige Möglichkeiten, sich Vermögensvorteile zu verschaffen. Das geschieht einerseits auf einer tatsächlichen Ebene, indem er sich einen Wissensvorsprung gegenüber den tatsächlich Berechtigten verschafft, diesen ausnutzt oder tatsächlich Besitz an Vermögensgegenständen ergreift.
Man unterscheidet Erberschleichung zu Lebzeiten und nach dem Tod des Betroffenen!
Auch kann er den Ausgang eines Prozesses für sich beispielsweise dadurch beeinflussen, indem er Beweismittel (beispielsweise ein Testament) vernichtet oder den Betroffenen zu einer Aussage im Sinne des Begünstigten beeinflusst und von den Angehörigen ein falsches Bild zeichnet. Unabhängig hiervon gibt es sowohl vor dem Tod, als auch nach dem Tod des Erblassers Möglichkeiten und sog. Standardfälle, in denen der Erberschleichende sich Vermögenswerte aneignet. Diese sollen exemplarisch dargestellt werden.
II. Bemühungen des Erberschleichenden mit Wirkung zu Lebzeiten des Erblassers
Vielfach erleben wir in der Praxis, dass die Erberschleichung durch eine Schenkung erreicht wird. Im Klartext bedeutet das, dass der Erblasser von der Person, die sich sein Vertrauen erschlichen hat, überzeugt wird, entweder das gesamte Vermögen oder Teile hieraus an ihn oder dessen Familienangehörige zu schenken und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem der Erblasser noch lebt. Auch in diesen Schenkungsfällen muss der benachteiligte, eigentliche Erbe in einem langwierigen Rechtsstreit nachweisen, dass der Schenker gegebenenfalls gar nicht in der Lage war, die Auswirkungen der Schenkung nachzuvollziehen. Häufig ist die Schenkung auch so verdeckt, dass sie für Dritte nicht erkennbar ist.
Erberschleichung kann häufig nur in einem Gerichtsverfahren bekämpft werden!
Letztendlich muss in einem Prozess häufig auch die Geschäftsunfähigkeit des Betroffen nachgewiesen werden, um die Schenkung wirkungsvoll anzugreifen. Das ist natürlich äußerst schwierig, zumal ein Notar, der die streitige Schenkung beurkundet hat, oftmals die Geschäftsfähigkeit bestätigen wird. Denn diese muss er bei notarieller Beurkundung prüfen. Er wird nachträglich selten seine ursprüngliche Einschätzung revidieren.
Auch ist es häufig ganz besonders schwierig, überhaupt das Vorhandensein von Gegenständen im Vermögen des Betroffenen vor der Schenkung nachzuweisen. Denn ein umfassendes Vermögensverzeichnis existiert in der Regel nicht. Noch komplizierter ist es, das bei Geldschenkungen zu belegen. Jedenfalls der spätere Erbe hat aber den Zugriff auf die Konten und kann so gegebenenfalls höhere Geldabhebungen, die auf eine Schenkung hindeuten, nachweisen. Damit entscheidet die Erstzugriffsmöglichkeit auf das Konto häufig über die Beweismöglichkeit. Sehr schwierig ist es aber dann zu belegen, wer letztendlich diese Gelder erhalten hat, wenn keine Überweisung getätigt worden ist, sondern die Geldmittel in bar ausgehändigt wurden.
Oftmals erleben Erben beim Ableben eines nahen Verwandten oder Ehegatten auch, dass gar keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind, weil Schenkungen in erheblicher Höhe gemacht und das ganze Vermögen vor dem Ableben der betroffenen Person verschenkt wurde. Die auf den Pflichtteil gesetzten Erben sollten sich in derartigen Fällen rechtlich beraten lassen. Denn nach § 2325 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen die Ergänzung des Pflichtteils verlangen, Der begünstigte Beschenkte kann auch einer der Miterben sein. Interessant ist insoweit § 2314 BGB, der gegen den begünstigten Beschenkten bzw. Erben einen bei Gericht einklagbaren Auskunftsanspruch regelt.
III. Bemühungen des Erberschleichenden mit Wirkung nach dem Tod des Erblassers
1. Die Begünstigung in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen
In diesem Bereich sehen wir grundsätzlich drei große Bereiche, die eine Begünstigung des Erberschleichenden mit sich bringen können:
(1) Die Einsetzung als Erbe bzw. Miterbe
(2) Sonstige Begünstigungen in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen (beispielsweise als Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker mit Vergütung, Nacherbe und ähnliches)
(3) Die Einsetzung als Erbe bzw. Miterbe und die gleichzeitige Beschränkung des Pflichtteilsanspruchs des oder der ausgeschlossenen, gesetzlichen Erben mit Mitteln der Rechtsgestaltung.
Wenn diese Bereiche betrachtet werden, so erscheinen den Verfassern insbesondere die Erbeinsetzung und die Beeinträchtigung der Pflichtteilsberechtigten als praxisrelevant. Auf diese Situation wird deshalb der Augenmerk gerichtet.
2. Die Einsetzung als Erbe bzw. Miterbe
Erreicht der Erberschleichende dieses sicherlich als Hauptziel der Erberschleichung zu bezeichnende Ergebnis, so erhält er eine sehr vorteilhafte Rechtsposition, die im Gegenzug häufig zu einem Ausschluss der gesetzlichen Erben führt. Das gesetzliche Erbrecht und die testamentarische Erbfolge werden deshalb im Überblick nachfolgend dargestellt.
Die Einsetzung als Erbe ist die häufigste Begünstigung für einen Erberschleichenden!
Das gesetzliche Erbrecht richtet sich nach den § 1924 ff. BGB. Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Ein während des Erbfalls lebender, erbfähiger Abkömmling, ein Kind des Erblassers, schließt die von ihm gezeugten, eigenen Kinder und ebenso die anderen Verwandten des Erblassers von der Erbfolge aus. Kinder erben soweit nicht testamentarisch anders geregelt zu gleichen Teilen.
In § 1925 BGB sind als gesetzliche Erben der zweiten Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge genannt. Leben zur Zeit des Erbfalls die Eltern nicht mehr, so erben deren Abkömmlinge, also Bruder und Schwester des Erblassers, allein und zu gleichen Teilen. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Die Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1928 BGB).
Der überlebende Ehegatte ist nach § 1931 BGB den Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, den Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte als gesetzlicher Erbe berufen. Leben die Ehegatten in Gütergemeinschaft oder Zugewinngemeinschaft, dann erbt der Ehegatte ein Viertel mehr. Das ergibt sich aus den entsprechenden familienrechtlichen Regelungen.
Das gesetzliche Erbrecht begünstigt Angehörige und den Ehepartner!
Für Erberschleichungsfälle ist in diesem Zusammenhang auch § 1938 BGB wichtig, wonach der Erblasser durch das Testament einen Verwandten oder den Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen kann, ohne einen Erben einzusetzen. Derartige Fälle kommen dann vor, wenn der Erberschleichende mit dem Erblasser verwandt ist und durch den Ausschluss gemäß § 1938 BGB erreicht, dass er zum Allein- oder Miterben wird und vorrangige gesetzliche Erben wegfallen. Eine Begründung für den Ausschluss eines gesetzlichen Erben ist im Rahmen des § 1938 BGB nicht notwendig.
Die Einsetzung des Erberschleichenden als Erben bzw. Miterben ist zuerst in einem Testament denkbar. Der Erbvertrag als weitere letztwillige Verfügung von Todes wegen wird im Anschluss daran dargestellt.
Die Testierfähigkeit des Betroffenen ist Voraussetzung dafür, dass Erberschleichung in einem Testament überhaupt wirksam wird!
Bei der Errichtung eines Testaments ist vor allem § 2229 BGB zu beachten. Die sich hierzu anschließende Diskussion zur Testier- und Geschäftsfähigkeit erfolgt sehr ausführlich, da die Verfasser aus ihrer Praxis heraus wissen, dass Erberschleichung besonders häufig dort vorkommt, wo die Testier- und Geschäftsfähigkeit des Betroffenen schon beeinträchtigt ist. Er ist dann in der Regel auch leichter beeinflussbar.
Die Testierfähigkeit, also die Fähigkeit, ein Testament zu errichten, ist in § 2229 BGB geregelt. Danach kann ein Minderjähriger ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr beendet hat. Speziell für die Testamentserrichtung und für die hier zu schildernden Rechtsfälle gilt § 2229 Abs. 4 BGB. Danach gilt folgendes:
„Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.“
Der Betroffene, der ein Testament errichtet, muss sich also über die Tragweite, den Inhalt und die Folgen der Testamentserrichtung im Klaren sein. Die Problematik bei diesen Fällen, in welche sicherlich manche Erberschleichungsfälle fallen, liegt vor allem auf der Beweisebene. Solange potenzielle Erben oder Personen, die auch durch andere, widerrufene Testamente begünstigt wären, nicht in der Lage sind, zu beweisen, dass aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung der Erblasser gar nicht mehr in der Lage war, das den Erberschleichenden begünstigende Testament zu errichten, geht das Gericht von der Wirksamkeit des Testaments aus. Oftmals ist man hier auf Aussagen des Pflegepersonals und auf Aussagen der Erben angewiesen, die in den letzten Stunden des Erblassers oder kurz vor der Testamentserrichtung den Betroffenen betreut haben.
In derartigen Fällen empfiehlt es sich, auch eine große Anzahl von Zeugen aus dem Umfeld des Erblassers zu benennen, damit das Gericht sich ein Gesamtbild machen kann. Das Gericht ist allerdings nicht dazu gezwungen, allein aufgrund eines vorgelegten ärztlichen Gutachtens zu entscheiden. Empfehlenswert ist für derartige Verhandlungen dennoch, einen Sachverständigen hinzuzuziehen.
Die Testierunfähigkeit kann in einem Gerichtsverfahren letztlich nur durch einen sachverständigen Arzt nachgewiesen werden!
Gerade im Beispielsfall 1, den wir ihnen geschildert haben, kam so ein erstaunliches Ergebnis zustande. Der Notar bestätigte die umfangreichen Testfragen, die er mit der Mutter machte, die ihr Vermögen an eine Tochter (auf deren Weisung hin) übertragen ließ. Er erklärte immer wieder, dass die Mutter mit dem Testament einverstanden gewesen war und immer „Ja“ sagte.
Der Sachverständige aus München, ein Professor des Max-Planck-Instituts, bestätigte in der anschließenden Vernehmung das genaue Gegenteil und zwar, dass gerade aufgrund der Aussagen des Notars und der Aussagen der Zeugen feststeht, dass die Mutter geschäftsunfähig gewesen ist. In der Entscheidung des Landgerichts Deggendorf ging das Gericht dann auch von der Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte aus.
Zusammenfassend ist im Zusammenhang mit § 2229 Abs.4 BGB darauf hinzuweisen, dass zwei Punkte entscheidungserheblich sind:
(1) das Vorliegen einer geistigen Störung,
(2) und diese geistige Störung muss dazu geführt haben, dass die freie Willensbildung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gemäß § 104 Abs.2 BGB ausgeschlossen war.
Der Unterschied zwischen § 104 Nr.2 BGB und § 2229 Abs.4 BGB liegt allerdings darin, dass in § 2229 Abs.4 BGB die Gründe, die einer freien Willensbestimmung entgegenstehen können ausdrücklich erwähnt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass drei Formen der geistigen Störung vorliegen können:
(1) eine Geistesschwäche,
(2) eine Störung des Bewusstseins,
(3) oder eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit.
Unter Umständen kann auch die krankhafte Isolation von der Außenwelt unter diesen Tatbestand fallen. Man spricht dann von einer reaktiven Depression, die sich im Alter durch lebensbedrohende Erlebnisse, wie den Verlust eines wertvollen Menschen, zu einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder zu einer Geistesschwäche ausweiten kann. Auch eine Demenz kann zu einer Geistesschwäche und einer Störung der Geistestätigkeit im Sinne des § 2229 Abs.4 BGB führen. Gerade für die Fälle der Erberschleichung ist das natürlich wichtig.
Häufig gibt erst eine Geschäfts- bzw. Testierunfähigkeit des Betroffenen dem Erberschleichenden überhaupt die Chance für ein Einwirken!
Denn einmal ist auch derjenige als geschäftsunfähig und testierunfähig anzusehen, dessen Wille nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nicht auf eine entsprechende Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse zurückgeführt werden kann, sondern auf einem krankhaften Empfinden, einer krankhaften Vorstellung oder dem Einfluss dritter Personen (hier ausdrücklich des Erberschleichenden) beruht, so dass diese Willensbildung tatsächlich nicht mehr frei ist. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Beeinflussung durch einen Dritten als rechtswidrige Einwirkung darstellt und der Betroffene von ihm widerstandslos beherrscht wird (Reichsgericht in RGZ 162, 233).
Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1936, wonach die Nichtigkeit eines Testaments selbst dann anzunehmen ist, wenn die Willensäußerung auf sog. geistiger Stumpfheit beruhte und deshalb die Möglichkeit bestand, dass es sich bei dem durch fremde Beeinflussung veranlassten Testament nicht um die Äußerung eines, wenn auch unter fremden Einfluss erfolgten, doch immer aufgrund eigener krankhafter Entschließung gebildeten Willens, sondern um die ohne eigene selbstständige Überlegung und Entschließung erfolgte mechanische Wiedergabe eines dem Betroffenen eingeflüsterten fremden Willens handelte (NJW 1949, Seite 544).
Auch in der Literatur wird ein Einfluss Dritter, der dazu führt, dass die betreffende Person, die ein Testament errichtet, nicht mehr ihrem eigenen Willen nach außen kund tut, sondern nur noch mehr Einflüsterungen Dritter unterliegt, als Nichtigkeitsgrund angesehen. Unterliegt der Wille des Erblassers dem Einfluss eines Dritten in der Form, dass der Betroffene sich überhaupt nicht gegen die Einflüsterung wehren kann, dann dürfte Testierunfähigkeit vorliegen und das Testament nichtig sein (BGH in FamRZ 1984, Seite 1003).
Erberschleichung ist dort nicht möglich, wo der Betroffene wirtschaftlich und rechtlich den Erberschleichenden gar nicht mehr begünstigen kann!
Die sicherste Form der Erberschleichung ist neben einem Testament die Möglichkeit, dass der Erberschleichende den Erblasser dazu motiviert, einen notariellen Erbvertrag gemäß § 1941 BGB zu schließen. Die Wirkung des Erbvertrags ist die, dass der Erblasser durch den Abschluss des Erbvertrags in der weiteren Möglichkeit andere, spätere Testamente zu errichten, eingeschränkt wird, wobei er Schenkungen vornehmen kann. Der freie Widerruf einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen ist anders als bei einem Testament gemäß § 2253 BGB bei einem Erbvertrag ausgeschlossen. Der Erbvertrag ist grundsätzlich unwiderruflich.
Allerdings kann auch der Erbvertrag gegen die guten Sitten nach § 138 BGB verstoßen. Das gilt insbesondere dann, wenn eine psychische Zwangslage des Erblassers ausgenutzt oder herbeigeführt wird. Vor allem bei älteren Leuten ist das nicht selten möglich. Gemäß § 2276 BGB muss der Erbvertrag in notarieller Form bei einem Notar geschlossen werden. Als Unterschied zum Testament mit Blick auf die §§ 2229, 2230, 2231, 2247 IV BGB ist beim Erbvertrag nicht nur die Testierfähigkeit notwendig. Beim Erbvertrag muss volle Geschäftsfähigkeit vorliegen. Letztendlich wird das in einem Rechtstreit meist ein Gutachter als Sachverständiger (ein Psychiater und nicht ein berufspraktischer Hausarzt) entscheiden (BGH in FamRZ 1984, Seite 103).
In einer grundlegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH in NJW 1972, Seite 683) nochmals darauf hingewiesen, dass die Geschäftsfähigkeit die Regel und die Geschäftsunfähigkeit die Ausnahme ist. Wer sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft, hat daher ihre Voraussetzungen zu beweisen (Bayerisches Oberstes Landesgericht in Rechtspfleger 1982, Seite 286). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Mutmaßungen keinen hinreichenden Sachvortrag in einem Gerichtsverfahren ersetzten. Zumindest geeignete Beweisangebote sind erforderlich, also möglichst Zeugen aus der Umgebung des Erblassers, ärztliche Gutachten und Pflegepersonen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.07.1999, AZ 7 U 236/98).
Gesetzliche und durch Erberschleichung benachteiligte Erben sind wenigstens durch das Pflichtteilsrecht geschützt!
Die ehemals in Betracht kommenden Erben, die die Erberschleichung erkannt haben, sollten unbedingt berücksichtigen, dass sie ihren Pflichtteilsanspruch (Rechtsanspruch) geltend machen, soweit er ihnen zusteht. Hier stellt sich somit die Verknüpfung zwischen gesetzlichem Erbrecht und dem nachfolgend diskutierten Pflichtteilsanspruch her.
3. Die Verringerung oder der Entzug des Pflichtteilsanspruchs
Hat der Erberschleichende erreicht, dass er im Wege einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen begünstigt wird und gesetzliche Erben das Nachsehen haben, so mag er versucht sein, seinen wirtschaftlichen Erfolg noch dadurch zu vergrößern, indem er den Pflichtteilsanspruch der Angehörigen und gesetzlichen Erben, soweit dieser besteht, zu verringern oder gar gänzlich auszuhöhlen.
Das ist nur in engen Grenzen zulässig. Deshalb geben die Verfasser dem Leser nachfolgend einen Überblick über das Pflichtteilsrecht und die Möglichkeiten des Erblassers, diesen Anspruch auf Veranlassung des Erberschleichenden zu verringern oder dem Berechtigten zu entziehen.
Abschnitt 1: Der Pflichtteilsanspruch
(1) Was ist ein Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch ist eine gesetzliche Einschränkung der in Art.14 GG (Grundgesetz) garantierten Testierfreiheit zugunsten eines oder mehrerer Pflichtteilsberechtigten. Das heißt, dass ein Erblasser diejenigen, die das Gesetz mit einem Pflichtteilsanspruch begünstigt, nicht einseitig von einem Erbfall ausschließen kann. Mit dem Pflichtteilsanspruch werden die Pflichtteilsberechtigten wirtschaftlich am Nachlass beteiligt, ohne dass sie Erben werden.
(2) Warum gibt es den Pflichtteilsanspruch?
Hintergrund ist die Überlegung, dass ein Erblasser über seinen Tod hinaus bestimmte Sorgfaltspflichten für seine nahen Angehörigen wahrnehmen muss. Der Gesetzgeber hat nicht akzeptiert, dass beispielsweise eine Ehe 30 Jahre lang besteht, der Ehemann Vermögen erwirtschaftet, während die Ehefrau als Hausfrau gemeinsame Kinder erzieht und der Ehemann mittels Testament einen Dritten oder eine Dritte (Stichwort Mätressentestament) als Alleinerben bzw. Alleinerbin einsetzt, ohne dass die Ehefrau einen Teilanspruch auf sein Vermögen hat. Diese Gefährdungslage wird durch das Pflichtteilsrecht aufgefangen. Daraus folgen zwei Grundüberlegungen.
Zum einen sind nur die nächsten Angehörigen pflichtteilsberechtigt. Andererseits ist das gesetzlich geregelte Pflichtteilsrecht kaum durch eine individuelle Regelung des Erblassers angreifbar. Es stellt sozusagen den Mindeststandard einer wirtschaftlichen Berücksichtigung naher Angehöriger dar.
(3) Wer ist Pflichtteilsberechtigter?
Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Angehörigen des Erblassers, wenn sie mittels Verfügung von Todes wegen ((Ehegatten)Testament oder Erbvertrag) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind. Sobald beispielsweise ein Testament vorliegt, gilt diese gesetzliche Erbfolge nicht mehr, soweit das Testament reicht. Entsprechend der gesetzlichen Erbfolge wären dagegen die nächsten Angehörigen als Erben vorgesehen. Mit einem Testament kann dagegen auch ein Dritter begünstigt werden. Die nächsten Angehörigen des Erblassers sind die Abkömmlinge (Kinder), die Eltern und der Ehegatte.
(4) Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch bemisst sich nach der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, wobei der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls maßgeblich ist. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch und ist nicht auf Übertragung bestimmter Nachlassgegenstände gerichtet. Gilt in einer Ehe beispielsweise der gesetzlich vorgesehene Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so erbt die Ehefrau des verstorbenen Gatten neben den Kindern die Hälfte des Nachlasses. Wird die Ehefrau dadurch von dieser gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, indem der Ehemann mittels Testament die Kinder als Alleinerben einsetzt, so steht der Ehefrau ein Pflichtteilsanspruch in Höhe eines Viertels des Nachlasses, allerdings auszuzahlen in Geld, zu.
(5) Warum und wann kommt ein Pflichtteilsentzug in Betracht?
Für einen Pflichtteilsentzug gibt es mehrere Gründe. Nahe liegend ist die Grundmotivation des Erblassers einem bestimmten Pflichtteilsberechtigten nicht einmal den gesetzlichen Pflichtteil zuzusprechen, beispielsweise wenn seit Jahren persönliche Differenzen bestehen. Diese Differenzen können natürlich durch einen Erberschleichenden hervorgerufen oder verstärkt werden.
Auf der anderen Seite steht das altruistische Motiv im Vordergrund, den tatsächlich als Erben Eingesetzen noch mehr begünstigen zu können. Der auf Geld gerichtete Pflichtteilsanspruch mindert nicht nur das Erbe selbst, sondern kann für den Erben auch dort eine besondere Belastung darstellen, wo kein Geld, sondern nur schwer veräußerbares Sachvermögen (beispielsweise ein Eigenheim als Hauptbestandteil des Nachlasses) vererbt wird, das zur Auszahlung des Pflichtteils zu Geld gemacht werden müsste. Das ist sicherlich ebenfalls ein Grund, warum Erberschleichende diesen Bereich interessant finden dürften.
Zuletzt kann es im Einzelfall auch im Sinne des Pflichtteilsberechtigten sein, keinen Pflichtteil zu erhalten, beispielsweise, wenn der Pflichtteilsanspruch in einem Insolvenzverfahren des Pflichtteilsberechtigten ohnehin untergehen würde. Diese Motivationslage ist für den Erberschleichenden von eher unter geordneter Bedeutung.
(6) Sieht der Gesetzgeber eine Möglichkeit vor, dass der Erbe und ein Pflichtteilsberechtigter gemeinsam und einvernehmlich den Pflichtteilsanspruch beseitigen?
Diese Möglichkeit wird beiden durch einen sog. Pflichtteilsverzicht als Vertrag gemäß § 2346 Abs.1 BGB eingeräumt. Mit diesem Vertrag ändern die Vertragsparteien (Erblasser und Pflichtteilsberechtigter) die erbrechtliche Sach- und Rechtslage. Dieser Vertrag muss notariell beurkundet werden. Er kann nur zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden.
Umstritten ist die Frage, ob ein Pflichtteilsverzicht auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in der Verfügung von Todes wegen zulässig ist, beispielsweise wenn sich die einzige Tochter vom Vater als sog. Schlusserbin einsetzen lässt und ihre Mutter zuerst Vollerbin des Ehegatten werden soll. Stirbt zuerst der Vater, so wird nur die Mutter Erbin. Die Tochter hätte einen Pflichtteilsanspruch. Stirbt dann die Mutter, so erbt die Tochter das gesamte Vermögen. In dieser Situation ist es denkbar, dass die Tochter für den ersten Erbfall (den Tod des Vaters) auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet, sodass die Mutter nach dem Tod des Vaters nicht mit einem solchen Anspruch belastet wird.
Abschnitt 2: Der gesetzlich geregelte Pflichtteilsentzug
(1) Hat der Gesetzgeber Fälle geregelt, in denen der Erblasser dem pflichtteilsberechtigten Abkömmling ohne dessen Zustimmung den Pflichtteilsanspruch entziehen darf?
Solche Fälle hat der Gesetzgeber tatsächlich vorgesehen, weil ansonsten die grundgesetzlichen Rechte des Erblassers zu sehr beschränkt wären. Der gesetzlich geregelte Pflichtteilsentzug ist in § 2333 BGB niedergelegt. Die dort genannten Fallgruppen können nicht auf vergleichbare Fälle übertragen werden. In folgenden Situationen ist ein Pflichtteilsentzug zulässig.
Nach § 2333 Nr.1 BGB kann der Pflichtteil entzogen werden, wenn der Abkömmling dem Erblasser, dessen Ehegatten oder einem anderen Abkömmling nach dem Leben trachtet. Der Pflichtteilsberechtigte muss ernsthaft ein Tötungsdelikt in Gang bringen.
§ 2333 Nr.2 BGB regelt zuerst den Fall, dass der pflichtteilsberechtigte Abkömmling den Erblasser vorsätzlich körperlich misshandelt. Grundsätzlich muss die körperliche Misshandlung ein gewisses Gewicht haben, wobei auch das Verhältnis zum Wert des Nachlasses eine Rolle spielt. Liegt der zu entziehende Pflichtteilsanspruch beispielsweise im siebenstelligen Bereich, so wird eine Ohrfeige kaum ausreichen, die Voraussetzung des § 2333 Nr.2 BGB zu erfüllen. Eine bloße seelische Misshandlung, insbesondere Streit und Ärger, genügen nicht, um einen Fall des § 2333 Nr.2 BGB zu rechtfertigen. Diese Vorschrift erfasst aber auch solche Fälle, in denen der Pflichtteilsberechtigte den Ehegatten körperlich misshandelt, allerdings nur, wenn er selbst Abkömmling der misshandelten Person ist.
Die Vorschrift des § 2333 Nr.3 BGB enthält die Variante, dass sich der Abkömmling eines Verbrechens oder eines schweren, vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser oder des Ehegatten schuldig macht. Entscheidend ist, dass der Abkömmling in die Rechtsgüter der beiden Genannten eingreift, beispielsweise indem er gegenüber deren Vermögen einen Diebstahl begeht. Wie ein Verbrechen eine Straftat darstellt, das mit einem Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, handelt es sich bei einem Vergehen ebenfalls um eine Straftat, wobei die Freiheitsstrafe geringer ausfällt.
§ 2333 Nr.4 BGB regelt den Fall, dass der Abkömmling gegenüber dem Erblasser seine gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt. Auch das Kind ist beispielsweise gegenüber der bedürftigen Mutter unterhaltspflichtig. Das ist vor allem dann relevant, wenn das Kind den im Alter bedürftigen Erblasser keine Unterstützung gewährt. Dieser Sachverhalt wird in der Praxis vor allem dort bedeutsam, wenn der bedürftige Erblasser von einem leistungsfähigen Abkömmling nicht unterstützt wird und später wieder zu Geld kommt. Denn in diesem Fall hat das Kind im Erbfall Interesse an einem wirtschaftlich attraktiven Pflichtteil.
Die letzte Alternative in § 2333 Nr.5 BGB ist erfüllt, wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. Dieser Tatbestand ist aufgrund der Bezugnahme auf gesellschaftlich veränderbare Maßstäbe immer anhand des aktuellen Wertekatalogs zu prüfen, wobei es auf die Sichtweise des Erblassers mit ankommt. Geschützt wird die Familienehre. Da § 2333 Nr.5 BGB auf den Lebenswandel als Bezugspunkt verweist, genügt eine einmalige Verfehlung nicht. Es muss sich um eine ständige Verfehlung handeln. Wandelt sich der Lebenswandel des Abkömmlings vor dem Erbfall, so ist nach § 2346 Abs.4 BGB ein Pflichtteilsentzug nicht mehr möglich.
(2) Hat der Gesetzgeber Fälle geregelt, in denen der Erblasser dem pflichtteilsberechtigten Ehegatten ohne dessen Zustimmung den Pflichtteilsanspruch entziehen darf?
Diesen Fall regelt § 2335 BGB, wobei die Varianten in § 2335 Nr.1- 4 BGB den dargestellten Tatbeständen in § 2333 Nr.1-4 BGB entsprechen. Allerdings wurde § 2335 Nr.5 BGB nicht mit übernommen. Demnach ist ein Pflichtteilsentzug ebenfalls gegenüber dem Ehegatten zulässig und denkbar.
(3) Hat der Gesetzgeber Fälle geregelt, in denen der Erblasser den pflichtteilsberechtigten Eltern ohne deren Zustimmung den Pflichtteilsanspruch entziehen darf?
Die Antwort ist in § 2334 BGB enthalten. Es wird auf die Vorschrift des § 2333 Nr.1, 3 und 4 BGB Bezug genommen. Nicht ausreichend sind dagegen die Verstöße in § 2333 Nr.2 und 5 BGB. So kann ein Kind seinen Eltern im Pflichtteilsrecht demnach keinen ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel vorwerfen. Auch dem pflichtteilsberechtigten Elternteil kann ein Kind grundsätzlich den Pflichtteil entziehen.
(4) Auf welchen Zeitpunkt kommt es für das Vorliegen der Voraussetzungen eines solchen Pflichtteilsentzugs an?
Grundsätzlich muss der Grund für den Pflichtteilsentzug zu dem Zeitpunkt bestehen, an dem mit Blick auf § 2336 Abs.2 BGB die letztwillige Verfügung (beispielsweise das Testament) errichtet worden ist. Das spätere Hinzutreten von anderen Gründen reicht für sich genommen nicht aus. Es müsste eine neue, letztwillige Verfügung gemacht werden.
Wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2337 S.1 BGB seine Verfehlung verziehen hat, so kann darauf kein Pflichtteilsentzug mehr gestützt werden. Eine solche Verzeihung setzt zum einen Kenntnis voraus. Man kann eine Verfehlung nur verzeihen, wenn man von ihr weiß. Andererseits kann eine Verzeihung nicht nur ausdrücklich, sondern auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen, wobei eine bloße Kontaktaufnahme nicht genügt. Zwar kann die Verzeihung gegenüber Dritten geäußert werden, nicht aber durch Dritte.
(5) Welche Anforderungen müssen formell bei einem Pflichtteilsentzug eingehalten werden?
Gemäß § 2336 Abs.1 BGB muss die Pflichtteilsentziehung in einem (Ehegatten)Testament oder einem Erbvertrag erfolgen. Der Pflichtteilsentzug muss zwar nicht wörtlich in der letztwilligen Verfügung genannt sein. Allerdings muss der Grund für die Pflichtteilsentziehung aufgeführt werden, wobei jedenfalls die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhalts erforderlich ist. Dagegen muss der Erblasser den Sachverhalt nicht auf eine der Varianten der Pflichtteilsentziehung beziehen.
Abschnitt 3: Die Pflichtteilsunwürdigkeit
(1) Gibt das Gesetz den Erben die Möglichkeit, gegen einen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erblassers vorzugehen?
Eine solche Option enthält die Vorschrift des § 2339 BGB. Sind die Voraussetzungen dieser Regelung eingehalten, so ist der Pflichtteilsanspruch nach § 2345 Abs.2 BGB anfechtbar. Das heißt auch, dass die Unwürdigkeit nicht im (Ehegatten)Testament oder Erbvertrag erwähnt werden.
(2) Wann liegt eine Pflichtteilsunwürdigkeit vor?
§ 2339 BGB zählt vier Fallgruppen auf:
Tötung oder Tötungsversuch durch den Pflichtteilsberechtigten mit der Folge, dass der Erblasser keine letztwillige Verfügung errichten oder aufheben kann,
vorsätzliche und widerrechtliche Verhinderung der Errichtung oder Aufhebung einer letztwilligen Verfügung durch den Erblasser,
Verhinderung der Errichtung oder Aufhebung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers mittels arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung,
Straftat gemäß §§ 267, 271-274 StGB bezüglich einer letztwilligen Verfügung des Erblassers.
Allen vier Tatbeständen ist gemeinsam, dass in diesen Fällen der Erblasser an einer Abänderung seines letzten Willens gehindert wird. Die letzte Variante betrifft insbesondere Sachverhalte, bei denen der Pflichtteilsberechtigte eine letztwillige Verfügung fälscht oder vernichtet.
(3) Wie ist das Verhältnis zwischen Pflichtteilsentziehung und Pflichtteilsunwürdigkeit?
Die Pflichtteilsunwürdigkeit spielt nur dann eine Rolle, wenn der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person enterbt, aber nicht zugleich wirksam den Pflichtteil entzogen hat.
Abschnitt 4: Verlust des Pflichtteils durch Ereignisse nach dem Erbfall
(1) Inwieweit kann der Pflichtteilsberechtigte selbst entscheiden, ob er den Pflichtteilsanspruch überhaupt wahrnimmt?
Der Pflichtteilsberechtigte kann den Pflichtteilsanspruch zwar nicht ausschlagen, er kann aber mittels Vertrag mit den Erben auf diesen Pflichtteil verzichten, indem er einen Erlassvertrag abschließt. Ein solcher Vertrag gemäß § 397 BGB ist formfrei möglich, wenn er nach dem Erbfall geschlossen wird. Ein Vertragsschluss vor dem Erbfall bedarf dagegen notarieller Form.
(2) Kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch auch ungewollt nach dem Erbfall verlieren?
Wie jeder schuldrechtliche Anspruch unterliegt auch der Pflichtteilsanspruch der Verjährung. Das heißt, dass der Pflichtteilsberechtigte nach dem Ablauf einer gewissen Zeit seinen Anspruch nicht mehr gerichtlich durchsetzen kann. Die Verjährung ist als Einrede von Amts wegen bei Gericht zu berücksichtigen.
(3) Auf welche Fristen muss ein Pflichtteilsberechtigter achten?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt gemäß § 2332 BGB in drei Jahren. Diese Verjährungsfrist beginnt zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung (ein Testament setzt beispielsweise einen Dritten als Erben ein) erlangt. Abhängig vom Einzelfall kann der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist weiter ausgedehnt werden.
Abschnitt 5: Gestaltung einer Schmälerung des Pflichtteilsanspruchs
(1) Wann kann ein Erblasser versuchen, den Pflichtteilsanspruch durch Gestaltung zu schmälern?
Die obigen Ausführungen zeigen, dass es nur eng begrenzte Fälle gibt, in denen ein Erblasser ohne Mitwirkung des Pflichtteilsberechtigten erreichen kann, dass letzterer einen geringeren oder gar keinen Pflichtteilsanspruch erhält. Für den Erblasser ist das unbefriedigend, weil er sehenden Auges akzeptieren muss, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil seines Vermögens in die Hände des Pflichtteilsberechtigten fällt, nur weil dieser ein nahe stehender Angehöriger ist. Aber auch für den Erberschleichenden gibt es nur wenig Handlungsalternativen.
Mit diversen Gestaltungsmöglichkeiten kann dieses Ergebnis zumindest teilweise abgeändert, wenn nicht gar verhindert werden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass sich der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich für den Pflichtteilsanspruch entschieden hat und eine Umgehung dieses Anspruchs durch Gestaltung deshalb nur begrenzt möglich ist. Das wirkt sich im Falle einer Erberschleichung als Schutzmechanismus aus.
(2) Kann ein Erblasser den Pflichtteilsanspruch durch Schenkungen zu Lebzeiten verringern?
Grundsätzlich führt eine Vermögensminderung durch den Erblasser dazu, dass sich auch der Pflichtteilsanspruch vermindert. Will ein Erblasser den Pflichtteilsanspruch gänzlich zerstören, so sollte er sein Vermögen aufbrauchen und genießen. Das Problem dabei ist natürlich, dass der Erblasser noch genügend finanzielle Mittel für die verbleibende Lebensspanne benötigt. Daneben ist zu beachten, dass bei Schenkungen die §§ 2325 ff. BGB dem Erblasser Beschränkungen auferlegen, damit der Pflichtteilsanspruch nicht zu arg beeinträchtigt wird.
(3) Welchen Zeitrahmen muss der Erblasser bei Schenkungen an Dritte beachten?
Schenkt der Erblasser einem Dritten (der auch späterer Erbe sein kann) Vermögen, so erhöht sich der Pflichtteil, wie wenn die Schenkung noch zum Nachlass zählen würde. Das ergibt sich aus § 2325 Abs.1 BGB und ist nur bei Anstandsschenkungen nach § 2330 BGB anders, die einen sozialen Hintergrund voraussetzen. Auf eine solche Anstandsschenkung wird sich aber ein Erberschleichender nicht beschränken wollen.
Bei der Schenkung muss der zu beeinträchtigende Pflichtteilsberechtigte bereits vorhanden sein. So muss die später auftretende und enterbte Ehefrau mit dem Erblasser zum Zeitpunkt der Schenkung bereits verheiratet gewesen sein. Grundsätzlich sind Schenkungen der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall berücksichtigungsfähig, wobei Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten ebenfalls, allerdings konträr, zu berücksichtigen sind. Ist die Schenkung berücksichtigungsfähig, so wird sie zum Nachlass hinzugerechnet. Damit erhöht sich der Pflichtteilsanspruch.
(4) Welche Besonderheiten sind bei der Zehnjahresfrist zu berücksichtigen?
Im Regelfall läuft die Zehnjahresfrist ab dem Zeitpunkt, in dem der wirtschaftliche Leistungserfolg eintritt. Bei Grundstücken kommt es dagegen auf die Umschreibung im Grundbuch an. Denn erst mit der Eintragung des Beschenkten als Eigentümer ist dieser tatsächlich Vollrechtsinhaber geworden.
Besonderheiten geltend bei einem Vorbehalt der Nutzung des Geschenkten, insbesondere wenn sich der Erblasser ein Nießbrauchsrecht einbehält (dem Erblasser fließen beispielsweise die Mieten einer vermieteten und verschenkten Immobilie weiterhin zu). In diesem Fall versucht der Erblasser das Immobilieneigentum zwar loszuwerden, will sich aber nicht rechtlos stellen. Die Rechtsprechung akzeptiert das nicht, sodass die Zehnjahresfrist erst läuft, wenn der Erblasser die Genussmöglichkeit an dem Geschenk eingebüßt hat. Auch ein Wohnrecht wird beispielsweise wie ein Nießbrauch behandelt.
Bei Ehegatten beginnt bei Geschenken zwischen den Eheleuten die Zehnjahresfrist erst, wenn die Ehe geschieden ist.
(5) Was gibt es für besondere Schenkungskonstellationen?
Ein Erblasser kann versuchen, eine Schenkung dadurch auszuschließen, indem er eine Gegenleistung dafür erhält. Denn eine Schenkung setzt begrifflich voraus, dass sie unentgeltlich erfolgt. Das geht aber nur soweit, als kein großes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Andernfalls liegt eine sog. gemischte Schenkung vor, die bei einer Anrechnung anteilig zu berücksichtigen ist.
Auch wenn ein Vertrag auf den Todesfall abgeschlossen ist (beispielsweise in Bezug auf ein Bankguthaben) liegt eine berücksichtigungsfähige Schenkung vor, weil das Vermögen dann nicht in den Nachlass fällt, sondern mittels rechtsgeschäftlicher Vereinbarung zum Zeitpunkt des Erbfalls automatisch auf den Beschenkten übergeht.
Entscheidet sich ein Erblasser dafür, eine sog. Zustiftung zu machen oder beispielsweise einer Stiftung oder einer anderen gemeinnützigen Organisation Geld zu spenden, so liegt ebenfalls eine Schenkung vor. Etwas anderes gilt, wenn der Erblasser zu Lebzeiten selbst eine Stiftung gründet und ihr gemäß §§ 80 ff. BGB Vermögen überträgt. Dann liegt zwar keine Schenkung im Sinne des § 2325 BGB vor, aber aufgrund der Vergleichbarkeit wendet die Rechtsprechung diese Vorschrift dennoch an.
(6) Wie wird der Wert einer Schenkung berechnet?
Bei verbrauchbaren Sachen (auch Geld und Aktien) wird auf den Wert zum Zeitpunkt der Schenkung abgestellt. Grundstücke werden mit dem niedrigeren Wert angesetzt, wenn sich der Wert der Immobilie in dem Zeitraum zwischen Schenkung und Erbfall verändert hat. Auch die Inflation ist wertmäßig grundsätzlich zu berücksichtigen.
(7) Kann der Pflichtteilsanspruch durch Einzahlungen in eine Lebensversicherung geschmälert werden?
Man unterscheidet Lebensversicherungen zu eigenen Gunsten und zugunsten Dritter (mit widerruflichem oder unwiderruflichem Bezugsrecht). Das eigene Bezugsrecht kann durch den Erblasser auch auf einen Dritten übertragen werden.
Die Prämienzahlungen könnten als Schenkung im Sinne des § 2325 BGB angesehen werden, wenn diese einem Dritten letztlich zugute kommen. Eine solche Schenkung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn nicht ausnahmsweise eine Ausstattung oder eine unbenannte Zuwendung an den Ehegatten vorliegt (das sind besondere familiäre Vermögensübertragungen).
Als Geschenk könnte man dann entweder den Rückkaufswert der Lebensversicherung, die gezahlten Prämien oder den Anspruch auf die Versicherungssumme ansehen. Diese Orientierungspunkte bedingen sich gegenseitig, sodass in der Regel die eingezahlten Prämien, begrenzt durch die Versicherungssumme, den eigentlichen Bewertungsmaßstab darstellen. Es ist deshalb festzuhalten, dass auch bei Einzahlungen in eine Lebensversicherung eine Berücksichtigung gemäß § 2325 BGB in Betracht kommt und der Pflichtteilsanspruch nicht verhindert werden kann.
(8) Inwieweit kann der Pflichtteilsanspruch dadurch geschmälert werden, dass eine Gegenleistung für die Vermögenszuwendung konstruiert wird?
Diese Möglichkeit besteht zwar grundsätzlich, widerspricht aber der gesetzgeberischen Wertung und ist deshalb angreifbar. Denkbar ist zuerst, dass eine angebliche Schuld festgestellt wird. In diesem Fall kann aber ein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB vorliegen, das rechtlich keinen Bestand hat. Auch eine Vermögensübertragung als nachträglicher Ausgleich für unentgeltliche Arbeit oder Pflege kann in der Praxis nicht ohne weiteres durchgesetzt werden. Das wäre insoweit ein typischer Fall, der bei einer Erberschleichung eine Rolle spielen kann, da der Erberschleichende häufig über einen Pflegekontakt Kontakt zu dem Erblasser erlangt.
Umgekehrt ist es dagegen unproblematisch, wenn eine anfängliche Schenkung des Erblassers beispielsweise mit einem nachträglichen Kaufpreis entgolten wird, da in dieser Situation der Nachlass durch den Kaufpreis profitiert und der Pflichtteilsanspruch nicht gefährdet wird. Jedenfalls besteht aber die Möglichkeit, in gewissen Grenzen den Wert der Gegenleistung bzw. der Vermögensübertragung so zu bewerten, dass für den Erblasser eine (geringfügige) Schmälerung des Pflichtteilsanspruchs möglich erscheint.
(9) Inwieweit kann der Pflichtteilsanspruch zugunsten eines Ehegatten und zum Nachteil eines Abkömmlings geschmälert werden?
Für diese Situation ist immer ein Vergleich der drei gesetzlich zulässigen Güterstände (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung und Gütergemeinschaft) notwendig. Durch einen Wechsel zwischen den Güterständen kann der Umfang des Nachlasses und damit auch der Pflichtteilsanspruch in gewissen Grenzen geschmälert werden.
Das ist beispielsweise denkbar, indem die Eheleute von dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütergemeinschaft wechseln. Das ist vor allem dann interessant, wenn im Extremfall der eine Ehegatte viel Vermögen, der andere Ehegatte kein Vermögen hat. Denn durch den Güterstandswechsel fällt das Vermögen des einen Ehegatten in das gemeinschaftliche Vermögen der Gütergemeinschaft und steht zu Lebzeiten beiden Ehegatten zur Hälfte zu. Die Hälfte des Vermögens wird demnach, ohne eine Schenkung darzustellen, auf den anderen Ehegatten übertragen.
Zu berücksichtigen ist in diesem Fall aber, dass sich die gesetzliche Erbquote zum Nachteil des Ehegatten und zugunsten der Abkömmlinge verändern kann. Diese Gestaltungsvariante birgt auch weitere Risiken, weil die Rechtsprechung vereinzelt einen Missbrauch annimmt, die Gütergemeinschaft auch eine Haftungsgemeinschaft darstellt und die Gefahr besteht, dass der „falsche“ Ehegatte zuerst stirbt.
Auch andere Wechselmöglichkeiten sind im Einzelfall denkbar. Dabei geht es grundsätzlich vor allem darum, dass sich die gesetzlichen Erbanteile der Abkömmlinge bei den einzelnen Güterständen unterscheiden können. Durch den Wechsel des Güterstands können Eheleute den Güterstand wählen, bei dem die gesetzliche Pflichtteilsquote am niedrigsten ist.
Eine Besonderheit gibt es bei der Zugewinngemeinschaft. Wird diese aufgelöst, so wird bei einem Wechsel in die Gütertrennung zu Lebzeiten der Eheleute ein Zugewinnausgleich durchgeführt, der nicht in den Bereich des § 2325 BGB fällt. Damit lässt sich der Nachlass des ausgleichspflichtigen Ehegatten schmälern. In diesem Fall könnten die Eheleute aber versucht sein, wieder in den Güterstand des Zugewinnausgleichs zurückzukehren, da dieser häufig insgesamt günstiger ist. Das nennt man dann Güterstandschaukel. Rechtlich ist das zwar grundsätzlich zulässig. Die Rechtsprechung erkennt darin aber abhängig vom Einzelfall auch einen Missbrauch.
Auch durch die Ehe bedingte Zuwendungen können den Nachlass nicht ungehindert schmälern, weil die Rechtsprechung solche eigentlich zivilrechtlich nicht als Schenkungen betrachtete Vermögenszuwendungen erbrechtlich dennoch in bestimmten Fällen dem Bereich des § 2325 BGB zuordnet.
(10) Gibt es gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten den Pflichtteilsanspruch zu schmälern?
Die Aufnahme einer Person als persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär in einer Kommanditgesellschaft oder Gesellschafter in einer offenen Handelsgesellschaft bzw. Gesellschaft bürgerlichen Rechts) stellt grundsätzlich keine Schenkung dar, obwohl ein Gesellschafter durch seine Rechtsstellung wirtschaftliche Vorteile erlangen kann. Kritisch wird diese Regelungsmöglichkeit nur dann, wenn die Haftungsübernahme und der Arbeitseinsatz kein angemessenes Äquivalent enthalten. Bei Gesellschaftsanteilen stellt sich darüber hinaus immer die Frage, wie deren Wert zu bestimmen ist.
(11) Wie kann man den Nachlass gestalten, damit er nicht für den Pflichtteilsanspruch maßgeblich ist?
Eine Möglichkeit ist die Regelung, dass der Erblasser, der zuvor selbst Vermögen erbt, bezüglich dieses Vermögens nicht abschließend Eigentümer wird, sondern nur Vorerbe. Ist das der Fall, so fällt das im Rahmen der Vorerbschaft erlangte Vermögen nicht in seinen Nachlass, sondern geht auf den Nacherben über, ohne dass sich der Pflichtteilsanspruch auf dieses Vermögen bezieht. Das Problem für den Erblasser liegt allerdings darin, dass die Rechtsstellung des Vorerben vielen Beschränkungen unter fällt und er selbst dadurch benachteiligt wird.
(12) Wie kann der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des Erbfalls mittels letztwilliger Verfügung beeinträchtigt werden?
Hier hat der Erblasser die Möglichkeit, den Pflichtteilsberechtigten als Erben einzusetzen, diese Erbschaft aber durch eine Anordnung der Vor- und Nacherbschaft, durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, durch Teilungsanordnung, durch Vermächtnis oder durch eine Auflage zu beeinträchtigen. Dabei ist aber zu beachten, dass § 2306 BGB dem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil in jedem Fall sichern will und der vermeintliche Erbe die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen kann.
(13) Wie kann der Pflichtteilsberechtigte durch sonstiges Verhalten des Erblassers beeinträchtigt werden?
Indem der Erblasser weitere Pflichtteilsberechtigte beispielsweise mittels Adoption (ein typischer Fall der Erberschleichung), Zeugung von Kindern oder Heirat (ebenfalls ein typischer Fall der Erberschleichung) schafft, vermindert sich der Pflichtteilsanspruch des erstmals Pflichtteilsberechtigten. Nachteilig ist allerdings, dass sich der Erblasser dadurch auch Unterhaltspflichten aussetzt.
Eine zweite Möglichkeit ist die Option, einen Teil des Nachlasses im Ausland anzulegen. Zwar regelt sich ein Erbfall grundsätzlich nach dem Recht des Landes, dem der Erblasser als Staatsbürger angehört. Damit ist das deutsche Pflichtteilsrecht für den Erbfall in der Regel maßgeblich. Etwas anderes gilt aber dann, wenn es zu einer sog. Nachlassspaltung kommt. Das ist der Fall, wenn sich die Erbfolge hinsichtlich der Grundstücke nach dem Recht des Landes regelt, wo die Immobilien liegen, im übrigen aber das Erbrecht entsprechend der Staatsangehörigkeit gilt. In diesem Fall beurteilt sich der Nachlass nach zwei Rechtsordnungen.
Für den Erblasser ist dadurch eine Pflichtteilsschmälerung möglich, wenn er einzelne Immobilien in Ländern erwirbt, die kein Pflichtteilsrecht kennen. Denn in diesem Fall erhöht sich der Pflichtteilsanspruch nicht durch den Wert der Immobilien, die sich im Ausland befinden.
(14) Was ist bei einer Nachlassspaltung immer zu beachten?
Soll eine solche Nachlassspaltung eintreten, so muss die Erbfolge auch nach der Rechtsordnung des Landes, in dem sich die Immobilien befinden, mittels letztwilliger Verfügung wirksam geregelt sein. Für die Grundstücke muss deshalb ein eigenständiges Testament oder ein Erbvertrag entsprechend den Formvorschriften dieses Landes errichtet werden. So ist beispielsweise in Florida (einem Land, das kein Pflichtteilsrecht kennt) zu beachten, dass ein handschriftliches Testament nicht genügt, sondern die letztwillige Verfügung unter Anwesenheit von Zeugen errichtet werden muss.
Zusammenfassung:
Angesichts der dargestellten Punkte ist ersichtlich, dass es grundsätzlich sehr schwer ist, dass Pflichtteilsrecht der nahen Angehörigen auszuschließen. Im Einzelfall mag das einem Erberschleichenden dennoch gelingen. Die Verfasser können sich insbesondere drei Varianten sehr gut vorstellen.
Zum einen ist es sicherlich denkbar, dass der Erberschleichende den Betroffenen veranlasst, sein Vermögen schon zu Lebzeiten zu übertragen. Findet diese Übertragung mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall statt, so ist der Nachlass insoweit geschmälert, ohne dass ein Pflichtteilsberechtigter einen anteiligen Anspruch hierauf hat.
Andererseits ist ebenso überlegenswert, dass der Erberschleichende die oben beschriebenen Gestaltungsmöglichkeiten nutzt, um den Pflichtteil zu verringern oder zu entziehen.
Zuletzt sind auch Fälle vorstellbar, in denen der Erberschleichende eine Situation hervorruft, beispielsweise durch Provokation eines Pflichtteilsberechtigten, in der dieser sich zu einem Verhalten hinreißen lässt, dass nach den dargestellten Regelungen zu einem Verlust des Pflichtteilsanspruches führt.
G. Präventive Maßnahmen gegen Erberschleichung
Die dargestellten Situationen zeigen, wie gravierend vor allem ältere Menschen betroffen sein können. Wir wollen dem Leser deshalb einige Anregungen an die Hand geben, die als Maßnahmen präventiv einer erfolgreichen Erberschleichung entgegenwirken können.
Es gibt viele Möglichkeiten, sich vor Erberschleichung zu schützen!
Wie bereits dargestellt ist allerdings das Erberschleichen weder strafrechtlich noch zivilrechtlich verboten. Es gibt keinen Straftatbestand oder eine zivilrechtliche Regelung, die speziell einen Schutz vor Erberschleichung bietet. Deshalb muss zum Teil zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen werden.
(1) Die Betreuung
Die größten Fehler machen Angehörige dann, wenn sie den Erblasser unter Betreuung stellen (wollen). Wir möchten deshalb kurz das System der Betreuung erklären. Denn durch eine Betreuung kann der Einfluss des Erberschleichenden stark begrenzt werden. Man muss aber wissen, wie das geht.
Die Anregung der Betreuung:
Vielfach versuchen Angehörige, den Erblasser dadurch vor unüberlegten Vermögensübertragungen abzuhalten, indem sie einen Antrag auf Betreuung stellen. Abgesehen davon, dass ein derartiger Antrag bei der zuständigen Behörde nur als Anregung anzusehen ist, bewirkt die entsprechende Anregung meist genau das Gegenteil, nämlich, dass der Erberschleichende nunmehr den Betroffenen mit dem Argument konfrontiert, seine eigentlichen Erben würden ihn entmündigen und seine persönliche Freiheit rauben wollen. Jetzt müsse ihm erst recht vertraut werden.
Die Veralterung des Betreuungsrechts:
Am 01.01.1992 wurde das Recht der Entmündigung abgeschafft und durch das jetzt geltende Betreuungsrecht ersetzt. Ziel der Gesetzgebung war nicht, das bisherige Entmündigungsgesetz ohne inhaltliche Neuerung in ein neues Gesetz zu fassen. Ziel war es vielmehr, Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten zu regeln, Hilfe bereit zu stellen. Die in vielen Erberschleichungsverfahren erlebten Äußerungen der Begünstigten, dass Angehörige eine Entmündigung des Betroffenen wünschen würden, ist deshalb schon grundlegend falsch, da es eine solche Entmündigung überhaupt nicht mehr gibt.
Die Betreuung ist gerade keine Entmündigung des Betroffenen!
Vielmehr führt die Betreuung gerade nicht dazu, dass der Betroffene geschäftsunfähig wird. Erst im Sonderfall der Betreuung bei einem sog. Einwilligungsvorbehalt wird die Teilnahme am Rechtsverkehr drastischer eingeschränkt. Die Standardbetreuung ohne Einwilligungsvorbehalt stellt dagegen kein Hindernis für ein Testament oder eine Schenkung dar. Das müssen die potentiellen Erben oder Angehörigen wissen, die in ein derartiges Verfahren im Verhältnis zu einem Erblasser eröffnen wollen, denn Erberschleichung wird durch eine einfache Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt nicht vollständig verhindert.
Nur am Rande sei bemerkt, dass das Betreuungsrecht nach Ansicht der Verfasser nicht als der große Erfolg zu bezeichnen ist, von dem man ursprünglich ausging. Im Jahr 1992 gab es etwa 430.000 Entmündigungen, im Jahr 2000 schon 925.000 Betreuungen. Das hat mit der Alterspyramide als Ursache nichts zu tun, sondern ist letztendlich darauf zurückzuführen, dass zu schnell Betreuungen seitens der Gerichte angeordnet werden.
Die Betreuungszahlen steigen in den letzten Jahren immer stärker an!
Derzeit dürften 1,2 Mio. Betreuungen angeordnet sein, sicherlich auch durch den fehlerhaften Begriff der Betreuung bedingt, unter dem man oftmals eine Hilfe im Haushalt oder eine Unterstützung zur Lebensführung versteht und nicht bemerkt, dass letztendlich doch eine ganz erhebliche Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte bis zum totalen Verlust dieser Rechte eintreten kann.
Zuständigkeit:
Zuständig für die Anordnung einer Betreuung ist das örtlich zuständige Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Betroffene befindet.
Betreuungsbedürftigkeit:
Eine Betreuung wird nach § 1896 Abs.1 S. 1 BGB nur angeordnet, wenn diese erforderlich ist. Erforderlich ist die Betreuung dann, wenn der Volljährige aufgrund einer psychischen Krankheit oder eines körperlichen, geistigen oder seelischen Leidens nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen. Wörtlich heißt es hierzu in § 1896 BGB:
„Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer.“
Diesen Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Die Betreuung kann unter Umständen von einem Erberschleichenden angeregt werden, wenn dieser nach Erhalt des Testaments nicht mehr wünscht, dass ein Kontakt nach außen hin erfolgt und es ihm gelingt, selbst Betreuer zu werden. Es besteht nach § 1896 BGB auch die Möglichkeit, dass dem Betreuter das Recht gegeben wird, Telefongespräche zu führen oder entgegen zu nehmen oder die Post zu versenden oder entgegen zu nehmen. Dadurch wird die normale Isolation, die meistens schon bestand, noch verstärkt.
Erberschleichung, Testier- und Geschäftsunfähigkeit und Betreuungsbedürftigkeit sind oft gemeinsam zu beurteilen!
Die Person des Betreuers:
Als Betreuer werden nicht automatisch Angehörige bzw. der Ehepartner bestellt. Letztendlich obliegt das der Entscheidung des zuständigen Gerichts. Oftmals werden Ehepartner deshalb nicht als Betreuer ausgewählt, weil eine Interessenkollision vorliegt oder eine zu hohe Altersstruktur gegeben ist und damit der Ehepartner selbst gar nicht mehr in der Lage ist, eine Betreuung pflichtgerecht durchzuführen. Angehörige leben darüber hinaus oft zu weit entfernt.
Wir kennen Fälle aus der Praxis, bei denen nicht einmal die Kinder des Betroffenen darüber informiert wurden, dass bezüglich eines Elternteils ein Betreuungsverfahren eingeleitet wurde und ein Betreuer für ihn eingesetzt ist. Auch eine Befragung durch den zur Entscheidung berufenen Richter erfolgte manchmal nicht. Der Beginn der Betreuung richtet sich nach §§ 1901 ff. BGB.
Auch der Betreuer kann Erberschleichender sein!
Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der §§ 1901 ff. BGB rechtlich zu besorgen. Der Hinweis auf die rechtliche Besorgung weist deutlich nach, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Hilfe handelt und nicht bedeutet, dass der Betreuer verpflichtet ist, permanent das persönliche Wohlergehen des Betreuten zu kontrollierten, was er letztendlich auch nicht bezahlt bekäme. Die übrigen Bereiche der Betreuung umfassen mitunter die Vermögenssorge, den gesundheitlichen Bereich und die Privatsphäre.
Unter Vermögenssorge wird meistens verstanden, dass der Betreuer das gesamte Vermögen an sich nehmen muss und die Verwaltung hierfür übernimmt. Der Betreute kann diesbezüglich relativ wenig entscheiden, allerdings bleibt er nach wie vor, wenn kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist, geschäftsfähig. Damit hat ein Erberschleichender, der Betreuer ist, sehr gute Einflussmöglichkeiten. Die Betreuung umfasst meistens auch die medizinische Versorgung. Das kann problematisch sein, weil der eingesetzte Betreuer in der Regel nicht über die notwendige Fachkenntnis hierfür verfügt und letztendlich wichtige Entscheidungen der Versorgung treffen kann oder muss.
Der Betreuer kann häufig in allen Lebensbereichen des Betroffenen entscheiden!
Leider gibt es in Deutschland kein Berufsbild für einen Betreuer. Betreuer kann jeder werden und somit kann auch die Entscheidung im vermögensrechtlichen Bereich, beispielsweise bei einem großen Unternehmen, oftmals in Händen eines Betreuers liegen, der relativ wenig wirtschaftliche Kenntnisse aufweist. Auch die Entscheidung über eine ärztliche Versorgung und durchzuführende Operationen liegt von Fall zu Fall in den Händen eines Betreuers, dessen medizinische Ausbildung, insbesondere, wenn es sich um einen Rechtsanwalt handelt, sehr gering ist. Die Tatsache, dass es für Betreuer in Deutschland kein spezielles Berufsbild gibt, ist sicherlich ein massiver Kritikpunkt mit Blick auf das deutsche Betreuungsrecht.
Die Betreuung umfasst in den meisten Fällen auch das Problem der Unterbringung. Der Betreuer kann also entscheiden, ob die Wohnung des Betreuten aufgelöst werden muss und er in ein Pflegeheim eingewiesen wird. Der Betreuer kann jeweils abhängig von einer überprüfenden, gerichtlichen Entscheidung des zuständigen Gerichts sogar eine Fixierung im Bett oder ein Bettgitter anordnen lassen.
Alle Maßnahmen, die der Betreuer durchführt, müssen allerdings erforderlich sein. Letztendlich fehlt es diesbezüglich aber nach Ansicht der Verfasser an einer ausreichend konkreten Kontrolle der Betreuer, da die zuständigen Gerichte stark überlastet sind. Die Zuwachsraten der Betreuungsfälle haben sich enorm erhöht. Die Anzahl der Richter wurde dagegen häufig reduziert, jedenfalls aber nicht ausreichend erhöht. Geldmittel werden für spezielle Ausbildungen der betroffenen Richter ebenso wenig bereit gestellt, wie für die Einrichtung spezieller Zuständigkeitsbereiche.
Nach Ansicht der Verfasser wird hierdurch die Wirkung der gesetzlichen Regelungen stark beeinträchtigt. Man kann in manchen Bereichen fast von einer Rechtsverweigerung in Gestalt der Reduzierung finanzieller Mittel sprechen.
Die fehlende Kontrolle bei einer Betreuung begünstigt Erberschleichung!
Mit Blick auf die Situation der Erberschleichung ist deshalb festzustellen, dass einmal im Betreuungsverfahren das Risiko einer Erberschleichung durch einen Dritten aufgrund der Präsenz eines Betreuers zumindest verringert wird. Andererseits gibt es aber auch Fälle, in denen gerade der Betreuer zum Erberschleichenden wird. Deshalb ist es ratsam mit einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreuungsverfügung dieses Risiko auszuschließen.
Denn eine Betreuung ist generell nicht anzuordnen, wenn eine Vorsorgevollmacht besteht. Die Vorsorgevollmacht, in der der zu Betreuende Regelungen bezüglich seines weiteren Lebens getroffen hat, schließt die Anwendung des Betreuungsrechts und damit die Bestellung eines Betreuers aus. Die bevollmächtigte Person ist zuständig. Voraussetzung ist allerdings, dass die Vorsorgevollmacht wirksam ist und im Zustand der Geschäftsfähigkeit erteilt wurde.
Eine Betreuungsverfügung wirkt dem Risiko der Erberschleichung entgegen!
Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass man durch eine rechtzeitig erstellte Betreuungsverfügung als Alternative zur Vorsorgevollmacht jedenfalls die Person, sowie Art und Umfang der Betreuung regelt. Für eine sog. Betreuungsverfügung ist Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich, sodass diese Verfügung dann besonders wichtig wird, wenn eine Vorsorgevollmacht mangels Vorliegen von Geschäftsfähigkeit nicht mehr abgeschlossen werden kann.
Erberschleichung und Betreuung:
Nochmals muss darauf hingewiesen werden, dass der Betreute, bei dem kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde, Rechtsgeschäfte tätigen kann. Bei dem Betreuten liegt unabhängig hiervon Geschäftsunfähigkeit nur vor, wenn ein dauerhafter Zustand krankhafter Störung der geistigen Fähigkeiten gemäß § 104 Nr.2 BGB nachgewiesen werden kann. Das führt dazu, dass der Betreute nicht mehr seinen freien Willen äußern kann. In einem solchen Fall liegt die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes nahe. Betreuungsbedürftigkeit und Geschäftsunfähigkeit bedingen sich aber nicht generell.
Nach der Rechtsprechung liegt der Tatbestand der Geschäftsunfähigkeit dann vor, wenn Entscheidungen des Betreuten nicht mehr von vernünftigen Erwägungen getragen werden. Gerade Angehörige, die sich in dem Dilemma befinden, dass sie einen nahen Angehörigen unter Betreuung stellen müssen, damit er nicht von einem Erberschleichenden finanziell ausgenommen wird, müssen sich immer gegenwärtig sein, dass die Betreuung nicht zu einer automatischen Entmündigung führt und die Gefährdungslage nicht per se beseitigt.
Sie werden in einem Rechtstreit konkret nachweisen müssen, dass ein Testament, eine Schenkung oder eine anderweitige Vermögensverfügung unter Ausschluss der freien Willensbestimmung erfolgte und nicht mit vernünftigen Erwägungen begründet war. Die intellektuelle Fähigkeit muss diesbezüglich nicht eingeschränkt sein. Hierauf kommt es nicht an (BGH in NJW 1970, Seite 1680, Bayerisches Oberstes Landesgericht in FamRZ 1992, Seite 294). In diesem Zusammenhang muss natürlich auch geprüft werden, ob eine übermäßige Willensschwäche vorlag oder ob eine rechtswidrige Beeinflussung durch einen Dritten ausschlaggebend gewesen ist (BGH in NJW 1996 Seite 918).
Gegebenenfalls kann man in einem Prozess anhand der Betreuungsakten nachweisen, dass Bedenken mit Blick auf die Geschäftsfähigkeit bestanden und noch vorhanden sind und dass das Testament, die Schenkung oder die Vermögensverfügung nicht wirksam vorgenommen wurde. Die Beweislast hat immer derjenige, der sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft (BGH in NJW 1988, Seite 3411).
In diesem Zusammenhang muss klar sein, dass ein Notar beispielsweise bei der notariellen Beurkundung des Testaments, gerade keine Pflicht hat zu prüfen, ob Geschäftsfähigkeit vorhanden ist. Er ist nur dann zu Nachforschungen verpflichtet, wenn er Zweifel an der Geschäftsfähigkeit hat. Das ist deshalb problematisch, weil der Notar nicht über eine medizinische Ausbildung zur Prüfung der Geschäftsfähigkeit verfügt.
Selbst bei einem notariell beurkundeten Rechtsgeschäft kann eine Geschäftsunfähigkeit der Wirksamkeit entgegenstehen!
Er ist letztendlich nur Zeuge des Beurkundungstermins und kann im Prozess nur über seine persönliche Wahrnehmung berichten. Oftmals wird das im Gerichtsverfahren verkannt und die Aussage von Notaren als maßgebliche Entscheidungshilfe herangezogen. Nach Ansicht der Verfasser sollte in einem derartigen Fall dagegen immer ein Sachverständiger, der auf dem entsprechenden Gebiet versiert ist, hinzugezogen werden.
Der Einwilligungsvorbehalt:
Eine Besonderheit des Betreuungsrechts bildet der Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB in Verbindung mit § 108 BGB. Wird ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, kann die entsprechende Rechtshandlung durch den Betreuten selbst nicht mehr vorgenommen werden.
Nach § 1903 BGB ist ein solcher Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, sobald das zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögens des Betreuten erforderlich ist. Dann ordnet das Vormundschaftsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf.
(2) Vorsorgende Vollmachten
Empfehlenswert ist gerade mit Blick auf die obige Darstellung zum Betreuungsrecht die bald mögliche Erteilung von vorsorgenden Vollmachten, deren Widerruf man, um sich selbst zu schützen, davon abhängig machen kann, dass beispielsweise zwei Personen die Vollmachten widerrufen müssen, der Hausarzt oder ein Rechtsanwalt.
Insbesondere die Vorsorgevollmacht sollte man einem Angehörigen geben, damit man nicht in die Hände eines fremden Dritten, eines Betreuers fällt, der in seinem Verhalten nicht gebunden ist. Durch die frühzeitige Bindung an eine Vorsorgevollmacht wird zugleich das spätere Einflussnehmen eines Erberschleichenden verhindert.
(3) Abschluss eines Erbvertrags
Eine gute Lösung ist es, rechtzeitig einen notariellen Erbvertrag abzuschließen und sein Vermögen vielleicht schon zu Lebzeiten zu verteilen. Mit einem notariellen Erbvertrag werden Erberschleichende wirksam abgehalten, weil sie nichts mehr „Erschleichen“ können. Man kann das inhaltlich so absichern, dass der Betroffene unter gewissen Umständen, beispielsweise unter Einvernahme von dritten Personen, den Erbvertrag noch abändern kann, damit keine zu starre Bindung besteht.
Man sollte die Vermögensgegenstände, die im notariellen Erbvertrag enthalten sind, insbesondere die Immobilien, so absichern, dass nicht der Fall eintritt, dass trotz Erbvertrag später Verfügungen über Immobilien oder andere Vermögensgegenstände erfolgen können. Damit wird verhindert, dass der Erberschleichende den Erblasser zum Notar verbringt und dort eine abändernde letztwillige Verfügung von Todes wegen ausstellen lässt. Die Auswirkungen des Erbvertrags sollten im Grundbuch eingetragen werden. Insoweit ist auch eine Absicherung insoweit sinnvoll, dass selbst Schenkungen nicht mehr möglich sind.
(4) Die Errichtung einer Stiftung
Die Errichtung von Stiftungen als Nachfolgeregelung ist vielen Personen nicht bekannt. Viele haben Angst eine Stiftung zu gründen und denken, dass sie nicht über ausreichend Vermögen hierfür verfügen. Das ist aber nur begrenzt zutreffend, da es auch die Möglichkeit gibt, sich in Form einer sog. Zustiftung an einer bereits existierenden Stiftung zu beteiligen.
Die Stiftung ist ein rechtliches Gestaltungsallzweckmittel für jedermann!
Mit einer Stiftung setzt man praktisch eine neue, eigenständige Rechtsperson in die Welt. Man kann im Stiftungsvorstand verschiedene Personen benennen, die nicht nur die Betreuung und die Gesundheit- und Vermögensfürsorge des Betroffenen im Alter übernehmen, sondern auch Ansprechpartner in den letzten Jahren des Lebens sind.
Der Vorteil einer Stiftung ist, dass bei einer Erbeinsetzung der Stiftung Erbschaftssteuer gespart werden kann. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass man Angehörigen, denen man etwas zuwenden will, auf Dauer über diese Stiftung Geldmittel zukommen lassen kann. Insbesondere mit Blick auf die Ersparnis bei der Erbschaftssteuer ist diese Lösung für die Erben attraktiv.
Denken deshalb auch Sie über die Möglichkeit einer Stiftung nach!
Auch mit Blick auf die Präventionswirkung gegenüber einer Erberschleichung leistet eine Stiftung ebenfalls wertvolle Dienste, da in diesem Fall einerseits das Vermögen vor dem zukünftigen Zugriff Dritter geschützt ist, andererseits die Grundsituation der Erberschleichung, nämlich die Einsamkeit und Isolation im Alter, auf persönlicher Ebene überwunden werden kann.
(5) Die Testamentsvollstreckung
Viele wissen ebenfalls nicht, dass die Erfüllung des Erblasserwillens oftmals in die Hände eines Dritten gelegt werden kann. Das ist der sog. Testamentsvollstrecker. Im Testament wird in so einem Fall angeordnet, dass eine Testamentsvollstreckung gewählt wird und als Testamentsvollstrecker eine bestimmte Person eingesetzt werden soll.
Testamentsvollstreckung bedeutet, dass der Erbe das Vermögen des Erblassers nicht erhält, sondern der Testamentsvollstrecker das Erbe entsprechend den Anweisungen im Testament verteilt. Es besteht insoweit die Möglichkeit der Dauertestamentsvollstreckung. Der oder die Testamentsvollstrecker verwalten gegebenenfalls auf Jahrzehnte betrachtet die Erbschaft, so dass die Erben, aber auch ein Erberschleichender überhaupt nicht an die Erbmasse kommen. Die Testamentsvollstreckung kann auch durch eine Stiftung vollzogen werden.
(6) Die Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung
Eine Möglichkeit gegen rechtswidrige Erberschleichung vorzugehen ist die Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung. Diese ist gemäß § 239 StGB bei der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft zu erstatten. Es wird darauf hingewiesen, dass eine solche Maßnahme immer die selbe Konsequenz hat, nämlich dass der Erblasser dadurch verärgert werden kann und so zu dem Schluss gelangt, nun doch den Erberschleichenden als Erben zu begünstigen.
Durch eine Strafanzeige unterstützt Sie die Staatsanwaltschaft in Ihrem Kampf gegen die Erberschleichung!
(7) Öffentlichkeitswirkung
Sehr gute Erfahrungen haben wir in der Praxis dahingehend gemacht, dass wir Fälle mit Bezug zur Erberschleichung in der Öffentlichkeit publik machten und uns an die regionalen Zeitungen gewandt und die Fälle geschildert haben. Die Zeitungen oder im Einzelfall auch Fernsehsender waren gerne bereit, hierüber zu berichten. Bei diesem Vorgehen sollten keine Hemmungen bestehen. Allerdings ist hier zuvor eine Beratung durch einen Experten zu empfehlen.
(8) Weitere zivilrechtliche Möglichkeiten
Mit Blick auf den zivilrechtlichen Anspruchskanon scheinen Betroffene weitgehend rechtlos gestellt, da insbesondere die ursprünglichen Erben mit dem Erberschleichenden keinen, einen Anspruch begründenden Vertrag geschlossen haben, sie auch keine Ansprüche aus dem Eigentum herleiten können und in der Regel ebenfalls keine unerlaubte Handlung nach deliktsrechtlichen Regelungen vorliegt. Ist der Erblasser zugleich noch geschäftsfähig besteht kaum eine Einflussmöglichkeit der Angehörigen, was letztlich auch die oben dargestellten Beispielsfälle bestätigen.
(9) Öffentlichkeitskontrolle
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass es sehr gut ist, die Öffentlichkeit mittels Presse und Fernsehen einzuschalten. Gegebenenfalls ist es aber auch denkbar, sich in kleineren Gemeinden an den Bürgermeister oder einzelne Gemeinderatsmitglieder zu wenden, um hier um Hilfe zu bitten. In größeren Gemeinden gibt es Sozialarbeiter, die man ansprechen kann, um einer Erberschleichung vorzubeugen.
Nehmen Sie die Hilfe Dritter gegen Erberschleichung in Anspruch!
(10) Engagement für gesetzliche Neuregelungen
Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob er nicht generell ein Verbot der Erbeinsetzung von Personen gesetzlich festlegt, die von Amts oder Berufs wegen mit Personen zu tun haben, die für Erberschleichung anfällig sind. Zumindest könnte man eine Regelung installieren, die die Errichtung einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen zugunsten dieses Personenkreises besonders erschweren oder von der Genehmigung einer Behörde oder des Vormundschaftsgerichts abhängig machen würde.
Wir halten eine gesetzliche Neuregelung zugunsten speziell älterer Menschen für dringend notwendig!
Auch erscheint mit Blick auf die wachsenden Bedürfnisse älterer Menschen ein besonderes Augenmerk des Gesetzgebers für diese Situationen als angebracht. Unser zivilrechtliches Rechtssystem berücksichtigt insbesondere die Situation junger Menschen beispielsweise in § 104 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer nicht das 7. Lebensjahr vollendet hat. Gemäß § 106 BGB ist ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, bis zum 18. Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig. Im Ergebnis unterliegen deshalb Personen unter 18 Jahren einem ganz erheblichen, zivilrechtlichen Schutz. Ältere Menschen, oftmals beeinträchtigt durch ihren Gesundheitszustand, werden durch das Gesetz nicht besonders geschützt. Ein spezielles Seniorenrecht gibt es in Deutschland nicht.
§ 104 Nr.2 BGB reicht zu einem ausreichenden Schutz gerade nicht aus. Das Problem liegt häufig gerade darin, dass eine bloße Willensschwäche oder die leichte Beeinflussbarkeit des Betroffenen, bei einer Erberschleichung der Regelfall, keinen Fall des § 104 Nr.2 BGB darstellen. Das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen, reicht gerade nicht aus (BGH in NJW 1961, Seite 261).
Unter Umständen könnte man über § 105 BGB einen neuen Lösungsweg finden. Danach ist eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird, unwirksam. Das Problem liegt aber auch hier in der Betonung des Geisteszustandes als maßgeblichen Anknüpfungspunkt.
H. Zusammenfassendes Endergebnis
Die rechtliche Aufarbeitung des Themas „Erberschleichung“ ist mehr als schwierig. Es gibt kaum Literatur, die direkt solche Fälle betrifft. Auch in Rechtsprechungsdatenbanken finden sich kaum Hinweise, wie man rechtlich gegen Erberschleichende vorgehen kann. Die Isolierung des Betroffenen lässt die Erberschleichung in der Praxis als wenig transparent erscheinen. Meist sind die Angehörigen an dieser Situation mit verantwortlich, weil sie den Kontakt zum Erblasser erst in den letzten Jahren seines Lebens suchen, um die Erbschaft zu erlangen.
In intakten Familien kommt Erberschleichung dagegen relativ selten vor. Dass Alleinleben vieler Menschen führt aber gerade in der heutigen Zeit zu einer ungewollten Isolation dieser Betroffenen, die oftmals noch durch das Wohnen in Großstädten verstärkt wird. Es fehlen Nachbarschaftskontakte. Zunehmendes Alter und Krankheit verstärken diese Gefährdungslage. Deshalb bleiben ursprünglich fremde Dritte die einzigen Ansprechpartner und somit als potentielle Erberschleichende übrig.
Statistiken zum Thema der Erberschleichung gibt es überhaupt nicht, da die Personen, die durch Erberschleichung Vermögen erworben haben aus guten Gründen den Vermögenserwerb nicht öffentlich darstellen. Oftmals wissen nicht einmal Personen, die in der Nachbarschaft wohnen, wer Erbe geworden ist.
Das Thema ist auch politisch kaum sehr interessant, da es keine Wählerstimmen bringt. Trotzdem sind aktuell enorme Vermögenswerte betroffen. Ein Milliardenvermögen wird derzeit vererbt. Deshalb sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass eine ausreichende gesetzliche Regelung installiert wird. Wir haben in der Vergangenheit mit vielen verzweifelten Angehörigen gesprochen, die die Vernichtung des (Familien)Vermögens nicht aufhalten konnten. Neben der Vernichtung des Vermögens werden häufig aber familiäre und freundschaftliche Kontakte zerstört. Erinnerungen gehen unwiederbringlich verloren.
Die psychische Gewalt, die Erberschleichende ausüben, ist dabei in der Regel kaum nachweisbar und jedenfalls meist nicht strafbar. Der Begünstigte hat zudem den ersten Zugriff auf das Vermögen und hat damit auch genügend Zeit, um die Spuren seiner Tätigkeit zu verwischen. Zudem verfügt er mit Blick auf die Erbschaft über die notwendigen finanziellen Mittel, um entsprechende Prozesse abzuwehren.
Die Angehörigen sind auf der anderen Seite häufig nicht bereit, einen riskanten Prozess mit einem hohen Streitwert zu führen. Rechtschutzversicherungen decken derartiger Rechtstreitigkeiten nicht ab. Sicherlich besteht in Einzelfällen die Möglichkeit, dass man gegebenenfalls im Rahmen einer Teilklage versucht, den Streitwert niedrig zu halten, um die Kosten zu reduzieren und erfolgreich ein Gerichtsverfahren durchführen zu können. Man riskiert aber eine sog. Widerklage des Begünstigten, sodass das Risiko trotzdem groß bleibt.
Dennoch sollten betroffene Personen, insbesondere Angehörige einen Rechtsstreit nicht scheuen, sich hierzu aber jedenfalls anwaltlich durch einen Spezialisten beraten lassen. Denn die Praxis zeigt, dass in Einzelfällen sogar eine schnelle Rechtsdurchsetzung möglich ist. Deshalb geben die Verfasser für den Leser einen ersten Einblick in die Kostenstruktur für eine rechtsanwaltliche Vergütung, damit das für den Leser nachvollziehbar wird.
Kosten rechtsanwaltlicher Tätigkeit
Kosten für Prozesse, bei denen es um letztwillige Verfügungen von Todes wegen geht, können sehr hoch sein. Im Rahmen der hier gebotenen Kürze soll das Prozesskostenrisiko wie folgt dargestellt werden.
Kostenrisiko-Übersicht
Wert: 50.000,00 €
Auftraggeber: 1
Auftraggeber Gegenseite: 1
Prozesskosten I. Instanz
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Mandantenseite) 2.615,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Mandantenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Mandantenseite) 421,60 €
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Gegenseite) 2.615,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Gegenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Gegenseite) 421,60 €
3,0 Gerichtsgebühren gem. § 3 GKG 1.368,00 €
Summe (mit 843,20 € MwSt.) 7.481,20 €
Wert: 100.000,00 €
Auftraggeber: 1
Auftraggeber Gegenseite: 1
Prozesskosten I. Instanz
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Mandantenseite) 3.385,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Mandantenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Mandantenseite) 544,80 €
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Gegenseite) 3.385,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Gegenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Gegenseite) 544,80 €
3,0 Gerichtsgebühren gem. § 3 GKG 2.568,00 €
Summe (mit 1.089,60 € MwSt.) 10.467,60 €
Wert: 200.000,00 €
Auftraggeber: 1
Auftraggeber Gegenseite: 1
Prozesskosten I. Instanz
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Mandantenseite) 4.540,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Mandantenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Mandantenseite) 729,60 €
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Gegenseite) 4.540,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Gegenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Gegenseite) 729,60 €
3,0 Gerichtsgebühren gem. § 3 GKG 4.368,00 €
Summe (mit 1.459,20 € MwSt.) 14.947,20 €
Wert: 300.000,00 €
Auftraggeber: 1
Auftraggeber Gegenseite: 1
Prozesskosten I. Instanz
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Mandantenseite) 5.720,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Mandantenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Mandantenseite) 918,40 €
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Gegenseite) 5.720,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Gegenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Gegenseite) 918,40 €
3,0 Gerichtsgebühren gem. § 3 GKG 6.168,00 €
Summe (mit 1.836,80 € MwSt.) 19.484,80 €
Wert: 500.000,00 €
Auftraggeber: 1
Auftraggeber Gegenseite: 1
Prozesskosten I. Instanz
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Mandantenseite) 7.490,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Mandantenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Mandantenseite) 1.201,60 €
2,5 Rechtsanwaltsgebühren gem. § 13 RVG (Gegenseite) 7.490,00 €
Postauslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG (Gegenseite) 20,00 €
Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG (Gegenseite) 1.201,60 €
3,0 Gerichtsgebühren gem. § 3 GKG 8.868,00 €
Summe (mit 2.403,20 € MwSt.) 26.291,20 €
Mit einzelnen Beispielsfällen aus der Rechtsprechung möchten wir die obige Darstellung abrunden.
Der einsame Ehemann
Ein immer wiederkehrender Fall ist der, dass die Ehegattin vor verstirbt und der Ehemann übrig bleibt. Er hat eine Haushälterin, die zu seiner Vertrauens- und Bezugsperson wird. Diese Haushälterin schürt den Zwist gegenüber den anderen Angehörigen, insbesondere den Kindern des Ehemanns. Meist geht bei derartigen Fällen die Isolation des Ehemannes und die Abhängigkeit von der Bezugsperson mit dieser geschürten Konfrontation gegenüber den Angehörigen einher.
Wir haben Fälle erlebt, bei denen dem überlebenden Ehemann Angst gemacht wurde, indem daraufhin gewiesen wird, dass die Kinder sich zu wenig um ihn kümmern und er verhungern würde. Der Ehemann begünstigt dann manchmal die Haushälterin in einem Erbvertrag. Der BGH hat derartige Erbverträge als sittenwidrig angesehen, wenn die betreffende, als Erbe eingesetzte Person den Streit mit den Angehörigen und die psychische, soziale Abhängigkeitssituation ausgenutzt hat (BGH, Urteil vom 26.02.1970, AZ III ZR 218/70). Derartige Fälle sind natürlich immer schwierig zu beweisen.
Leistung und Gegenleistung stimmen nicht überein
Der BGH hatte sich auch mit Fällen zu befassen, bei denen Leistung und Gegenleistung nicht übereinstimmten. Der BGH wies in solchen Fällen ausdrücklich darauf hin, dass sich die für eine Sittenwidrigkeit bzw. Verwerflichkeit notwendige, verwerfliche Gesinnung nicht allein daraus ergibt, dass Leistung und Gegenleistung nicht übereinstimmen. Es müssen noch besondere Gründe und Sachverhalte hinzukommen, die den Abschluss eines Erbvertrags als sittlich verwerflich erscheinen lassen. In einem Urteil hat der BGH die Gründe für eine Anfechtung derartig gefasster Testamente nochmals zusammengefasst (BGH in FamRZ 1990, Seite 1343).
Interessant an dieser Entscheidung sind insbesondere die Grundsätze, die der BGH für Schenkungen aufgestellt hat. Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass der objektive Inhalt des Geschenks, also der Wert des Geschenks nicht entscheidend ist. Maßgeblich sind vielmehr die Motive des Erblassers bzw. Schenkers, der von ihm verfolgte Zweck und die näheren Umstände der Schenkung. Entscheidend für den BGH ist immer, ob sich der Erblasser dem Druck und den Wünschen des Erberschleichenden entziehen konnte oder inwieweit der Erberschleichende die fehlende Widerstandskraft des Erblassers eigennützig ausnutzte .
Erbschaftskauf
In der Praxis bekannt geworden sind auch Fälle, in denen ein Erberschleichender sich als Miterbe Vermögen angeeignet und die gesamte Erbschaft gemäß § 2371 ff. BGB schnell verkauft hat, um sich Ansprüchen der übergangenen Miterben nicht auszusetzen. Ein Erbschaftskäufer wird dabei im Wege des Erbschaftskaufs, der wie ein Kaufvertrag zu behandeln ist, gerade nicht Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger des Verkäufers. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die anderen Miterben nach § 2034 BGB ein Vorkaufsrecht haben. Nach § 2371 BGB muss der Erbschaftskauf zudem notariell beurkundet werden.
Zusammenfassend ist gerade mit Blick auf die letzten Beispiele folgendes festzuhalten.
(1) Es gibt viele Situationen, in denen eine Erberschleichung möglich ist.
(2) Hierdurch wird nicht nur der Betroffene benachteiligt, sondern auch insbesondere Angehörige und Freunde.
(3) Die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Möglichkeiten gegen eine solche Erberschleichung sind stark eingeschränkt.
(4) Durch präventive Maßnahmen und eine Ursachenbekämpfung kann aber der Erberschleichung vorgebeugt werden.
(5) Um diese präventive Maßnahmen abzustimmen, aber auch die schon erfolgte Erberschleichung wirksam zu bekämpfen, lohnt sich in der Regel ein Rechtsstreit gegenüber dem Begünstigten.
Als Hilfestellung für den Leser geben wir eine Checkliste an die Hand, mit der die Situation der Erberschleichung anhand von Einzelfragen überprüft werden kann. Es sollten folgende Fragen nachvollzogen werden:
(1) Wird der Betroffene isoliert?
(2) Erhält der Erblasser noch Post bzw. reagiert er noch auf Einladungen und Briefe?
(3) Reagiert er auf Telefongespräche?
(4) Besteht der Verdacht auf Freiheitsberaubung (ggf. Strafanzeige erstatten)?
(5) Sollte wegen Verstoßes gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis Strafanzeige erstattet werden?
(6) Kann man Nachbarn mit Blick auf die Situation befragen?
(7) Kann man Pflegekräfte oder Hilfspersonen in der Umgebung des Erblassers befragen, soweit diese nicht selbst als Erberschleichende in Betracht kommen.
(8) Ist der Sozialdienst der zuständigen Gemeinde oder Stadt mit einer Kontrolle zu beauftragen?
(9) Kann man gegebenenfalls Notare aus der Umgebung davor warnen, Beurkundungen in diesem Fall vorzunehmen?
(10) Kann man Kontakt zur Presse suchen, um den Fall öffentlich zu machen?
(11) Soll Kontakt zu Rechtsanwälten aufgenommen werden, die in diesem Rechtsgebiet spezialisiert sind?
(12) Ist es möglich, Kontakt zu näheren Angehörigen herzustellen, die eventuell gemeinsam den Betroffenen überraschend aufsuchen?
(13) Liegen Besuchsverbote vor, die gegebenenfalls durch einen Betreuer oder einen Bevollmächtigten ausgesprochen wurden (bei einer Vollmacht könnte mit Blick auf einen Vollmachtsmissbrauch eine Anregung zur Einleitung eines Verfahrens bezüglich Betreuung gegeben werden)?
(14) Erhält man in die Betreuungsakten Einsicht und kann man feststellen, inwieweit ein Antrag auf Betreuung gestellt wurde?
(15) Kann ein Kontakt des Erblassers zu einem Arzt hergestellt werden, der dessen Geschäftsfähigkeit prüft?
(16) Welche Fakten, Dokumente und Zeugenaussagen können gesichert werden, damit für einen zukünftigen Prozess alle Informationen vorhanden sind?
(17) Wie kann man den persönlichen Kontakt zu dem Betroffenen aufrecht erhalten?
Wir bitten Leser und Personen, die mit Erberschleichungsfällen zu tun haben, selbst wenn diese längst abgeschlossen sind, uns diese zu schildern, damit wir in der nächsten Auflage die Bandbreite der unterschiedlichen Sachverhalte der Erberschleichung noch konkreter und besser darstellen können.
Schreiben Sie hierfür an die Verfasser dieses Buches Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Thieler und Herrn Rechtsanwalt Wolfgang Böh, Wolfratshauser Straße 80, 81379 München, Telefon 089/74299903.
Auch mit Blick auf die dargestellten Einzelfragen stehen dem Leser die Verfasser zur Verfügung. So hat zum Beispiel Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Thieler bereits mehrere Stiftungen gegründet und das unter obiger Adresse erhältliche Merkblatt „Wie gründe ich eine Stiftung?“ entwickelt.
Sie können uns zu dem Thema „Erberschleichung“ auch jederzeit auf der hierfür eingerichteten Anwaltshotline 09001-133400 erreichen. Mit Blick auf den erheblichen Umfang anwaltlicher Beratung, die in diesem Bereich telefonisch erfolgt, ist die Anwaltshotline kostenpflichtig. Sie können sich hierüber näher unter der Telefonnummer 089/74299903 erkundigen.
Nähere Informationen zu dem gesamten Sachverhalt erteilt auch das Institut für Seniorenwissenschaften, Dachauer Straße 61, 82256 Fürstenfeldbruck Tel.: 08141/41548, Internetauftritt: www.seniorenwissenschaften.de.
Anhang: Wichtige gesetzliche Rechtsgrundlagen
§ 104 BGB:
„Geschäftsunfähig ist:
1. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2. wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.“
§ 134 BGB:
„Ein Rechtsgeschäft, dass gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“
§ 138 BGB:
„(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.“
§ 826 BGB:
„Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“
§ 1896 BGB:
„(1) Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.
(2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs.3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
(3) Als Aufgabenkreis kann auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigtem bestimmt werden.
(4) Die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post werden vom Aufgabenkreis des Betreuers nur dann erfasst, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat.“
§ 1924 BGB:
„(1) Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers.
(2) Ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling schließt die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus.
(3) An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Erbfolge nach Stämmen).
(4) Kinder erben zu gleichen Teilen.“
§ 1931 BGB:
„(1) Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Anteil, der nach § 1926 den Abkömmlingen zufallen würde.
(2) Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.
(3) Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.
(4) Bestand beim Erbfall Gütertrennung und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen; § 1924 Abs.3 gilt auch in diesem Falle.“
§ 2229 BGB:
„(1) Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
(3) (weggefallen)
(4) Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.“
§ 2303 BGB:
„(1) Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
(2) Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.“
§ 246 StGB:
„(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstraße bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.“
§ 263 StGB:
„(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Band handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3. eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht oder
5. einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs.2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.“
§ 266 StGB:
„(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs.2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs.3 gelten entsprechend.“
§ 267 StGB:
„(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3. durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht.
(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.“